Die Poison Diaries
du mich nicht mehr?«
Los doch, Liebchen. Mach diesem peinlichen Schauspiel ein Ende. Dein letzter Liebhaber war immerhin ein König.
»Nein.« Ich stoße ihn weg. »Ich muss gehen. Mein Herr wartet auf mich.«
Jetzt lässt er mich los. »Oleander? Aber ihm zu dienen, ist ein schlimmeres Los als der Tod!«
»Dann hättest du mich sterben lassen sollen.«
Weeds Augen sind voller Kummer. »Jessamine, was ist mit dir geschehen?«
»Alles.« Ich balle die Fäuste, um zu verhindern, dass ich meine Arme nach ihm ausstrecke. »Lass mich in Ruhe, Weed. Ich bin von Kopf bis Fuß mit Boshaftigkeit besudelt, mit Mord und Totschlag – ich bin kaum noch menschlich. Für mich gibt es keine Hoffnung mehr.«
»Du hast getötet, aber du hast auch geheilt. Das weiß ich genau. Wie jede einzelne Pflanze in dem Apothekergarten bist auch du eine Heilerin und eine Mörderin. Genau wie ich.«
»Ich würde hundertmal mein Leben hergeben, wenn ich diejenigen wieder lebendig machen könnte, die ich umgebracht habe. Ich wünschte,
ich
wäre damals in Hulne Abbey gestorben! Dann hätte ich nie so tief sinken können. Ich wäre als Mensch gestorben und nicht als Teufelin.«
Seine Stimme bricht. »Aber ich bin nicht besser als du, Jessamine. Auch ich habe getötet.«
Sein Schmerz rührt mich zu Tränen. »Den Prediger an der Kreuzung?«, frage ich leise. An der Art, wie er den Kopf hängen lässt, sehe ich, dass ich recht habe.
»Die Welt wird uns niemals vergeben«, sagt er. »Aber wir können einen Weg finden, einander zu vergeben.«
»Ich vergebe dir, Weed.« Es bedarf meiner ganzen Willenskraft, vor ihm zurückzuweichen. »Aber mir selbst kann ich niemals vergeben.«
Als er aufschaut, bin ich schon an der Tür. »Nein! Jessamine, bleib! Wo Leben ist, da ist auch Hoffnung!«
»Nicht immer.« Und dann renne ich los.
Mit jedem Schritt stirbt ein Stück meiner Seele. Der Schmerz ist fast unerträglich.
Ich kenne nur einen Weg, um alles zu beenden.
Kapitel 18
B
ist du sehr müde, mein Liebling? Ich kann es mir denken. Selbst mit diesen Mengen an Laudanum ist das Vergessen eine anstrengende Angelegenheit. Und es gibt vieles, was du vergessen musst.
Ich bin müde, ja. Ich bin zu müde, um zu denken.
Es war eine lange Reise. Du hast einen schlimmen Fehler begangen. Du warst ungehorsam und hast mich zutiefst enttäuscht.
Es tut mir leid.
Ich hatte mich so auf den Augenblick gefreut, in dem der König sterbend auf den Boden sinkt! Seine treuen Gefolgsleute hätten versucht, dich auf der Stelle zu töten, und der arme Weed hätte sich den Kopf zerbrechen müssen, ob er den sterbenden König retten oder seine geliebte Mörderin verteidigen soll! Aber du hast meinen hübschen Plan ruiniert.
Ich wusste nicht … ich dachte nicht …
Aber jetzt bist du bei mir. Du hast eine kluge Entscheidung getroffen, indem du diesen närrischen Tölpel verlassen hast. Ich finde, du hast genug gelitten. Jetzt lass dich von meinen Flügeln wärmen. Der Winter kommt. Es ist Zeit, sich auszuruhen. Ich werde dich an einen sicheren Ort bringen.
Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.
Komm. Lass uns fliegen.
***
Hier sind wir.
Ich kenne diesen Ort, nicht wahr?
So gut, wie ich dich kenne, meine Hübsche.
Sind das die niedergebrannten Ruinen von Hulne Abbey? Und dies dort die Tore des Giftgartens, den mein Vater angelegt hat? Moment mal … mein Vater … Ich glaube, ich erinnere mich. Er ist tot, nicht wahr? Oder war das nur ein Traum?
Wir wollen nicht von unerfreulichen Dingen sprechen. Du bist mir so lieb und teuer, Jessamine. Ich habe dich beobachtet, seit du ein kleines Mädchen warst, weißt du? Jahrelang habe ich dir Verlockungen eingeflüstert, habe dich verführt, zu mir zu kommen. Selbst als Kind hast du mit deiner Nähe meine Macht genährt. Erinnerst du dich, wie sehnsüchtig du durch den Zaun gespäht hast? Wie sehr du dir gewünscht hast, das Eisengatter aufzuschließen, mein Reich zu betreten und mir meine tiefsten Geheimnisse zu entreißen? Und jetzt bist du hier. Du gehörst mir. Du hast niemanden sonst, und du brauchst auch sonst niemanden. Ich bin dir Mutter und Vater. Ich bin dein Liebhaber und dein König. Ich bin deine Krankheit und deine Heilung.
Sie schaut mich an. Verstehen breitet sich auf ihrem Antlitz aus. Ah, diese Augen! Bleiche Saphire, leuchtend vor Tränen. Auch diese Augen gehören jetzt mir.
Oleander, mir ist so kalt.
Ich weiß.
Ich liebe es, sie zittern zu sehen. Dann flirrt sie wie ein Birkenhain,
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