Die Polizistin
hob wieder die Waffe.
Niemand fragte, wer vor der Tür stand. Manuel Santos wurde leichtfertig, dachte Shanna. Die Tür schwang auf.
Sonny stand da.
»Hallo, Wiesel.« Sonnys dunkle Augen erfassten die Situation. Er langte nach seinem Revolver.
»Das würde ich nicht tun«, sagte Shanna scharf. Sie drückte Myers gegen den Türrahmen und richtete ihre Waffe auf Sonny.
»Zieh deine Knarre mit zwei Fingern heraus und lass sie auf den Boden fallen.«
Einen Moment lang schien Sonny amüsiert zu sein, aber dann sah er in die Mündung von Shannas Waffe.
Außerdem war Myers’ Hilflosigkeit nicht zu übersehen.
Langsam befolgte er ihre Anweisungen.
»Gib ihr einen Stoß und schieb sie langsam zu mir.«
Die Waffe rutschte über den Holzfußboden. Ohne die Männer aus den Augen zu lassen, bückte sich Shanna und warf den Revolver durch die Tür in die Dunkelheit.
»Und jetzt auf die Knie. Beide.«
Sie ahnte, dass es den beiden Kriminellen schwer fiel, vor einer Frau in die Knie zu gehen, aber sie wussten auch, dass man einem Revolver gegenüber nur schlechte Argumente hat. Langsam ließen sie sich auf den Boden nieder.
»Die Hände hinter eure Köpfe«, sagte sie.
Sie stellte sich hinter die knienden Männer an die Wand und sah sich um. Sie konnte in den Salon blicken, aber sie sah niemanden.
Doch er war da. Sie konnte das Übel in diesem Haus mit Händen greifen.
»Santos!«, rief sie.
Rasche Schritte näherten sich aus einem Querflur, Shannas Puls begann zu rasen. Sie hatte ihn! Diesmal hatte sie ihn!
Ein Mann trat um die Ecke, und die Welle des Hasses, die Shanna überflutete, riss sie fast von den Beinen.
Er war es! Er hatte sich verändert, aber das Böse in seinen Augen würde bleiben, bis er starb.
Er war besser gekleidet. Teure Klamotten. Aber immer noch so eitel, dass er sein Hemd offen trug, damit man das Goldkettchen um den Hals sehen konnte.
Ringe glänzten an seinen Fingern. Shanna erwartete, dass er eine Waffe gezogen hatte, aber seine Hände waren leer.
»Was soll dieser Scheiß?«, fauchte er.
Diese Stimme hatte sie in ihren Albträumen verfolgt.
Ihre eigene Stimme schwankte ein wenig, aber die Waffe, die sie jetzt auf ihn richtete, schwankte nicht.
»Das ist dein Ende, du Bastard. Du bist verhaftet.«
»Wegen was?«, fragte er lachend. »Ihr habt doch nichts gegen mich in der Hand.«
»Du kannst es dir aussuchen. Drogenhandel, Angriff auf einen Special Agent des FBI und…«
»Wer bist du?«, fragte er plötzlich. Seine Augen verzogen sich zu Schlitzen. »Du kommst mir bekannt vor.«
»Du solltest mich noch kennen, du Bastard. Ich bin…«
»Shanna!«
Die Stimme auf der Treppe ließ sie herumfahren. Ihre Aufmerksamkeit war abgelenkt. Santos, die beiden Männer zu ihren Füßen und die neue Bedrohung links auf der Treppe. Sie schaute hoch.
Und sie sah einen Geist.
»Shanna«, wiederholte die Frau schwach.
Shanna stand wie betäubt da.
»Shanille?« Plötzlich konnte sie nicht mehr atmen.
Ihre Schwester. Sie lebte und war bei Santos.
Ihre Gedanken schossen wild durcheinander. Sie stand hilflos da und wusste nicht, wohin sie schauen sollte.
Myers sah ihre Verwirrung und nutzte sie. Seine Hand schoss vor und schlug ihr die Waffe aus den Fingern.
Sie schepperte über den Boden, aber sie hatte keine Zeit, sich danach zu bücken, denn im nächsten Moment wurde ihr ein Ellenbogen in den Bauch gerammt.
Shanna krümmte sich vor Schmerzen, aber es gelang ihr, dem nächsten Stoß auszuweichen.
Von der Wucht des Luftschlags geriet Myers ins Stolpern. Shanna packte ihn an den Schultern, drückte ihn nach unten und hielt ihn fest, während sie ihm das Knie in den Unterleib stieß. Sein Stöhnen hallte durch den Flur.
»Du Schlampe!«, grunzte er und warf sich auf sie.
Unter seinem Gewicht gaben ihre Knie nach, und mit ihm landete sie auf dem Rücken.
Alles, was sie im Training als FBI-Agentin gelernt hatte, setzte sie in diesem Kampf ein, denn sie begriff, dass es um Leben und Tod ging. Sie holte kurz aus und schlug Myers die kleine Faust gegen das Kinn.
Sein Kopf zuckte zurück, aber dann sah Shanna, dass Sonny hinter ihm auf die Füße kam.
Er überbrückte die Distanz zwischen ihnen und griff nach unten, um Shanna an den Haaren zu packen. Sie wich ihm aus und rollte von ihm weg. Aus den Augenwinkeln sah sie eine Gestalt durch die offene Tür stürmen. Es war eine große, drahtige Gestalt, die mit den Schultern in Sonny hineinging. Die beiden wälzten sich über den Boden
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