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Wen liebst du wirklich?

Wen liebst du wirklich?

Titel: Wen liebst du wirklich? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Wood
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1. Kapitel
     
    Cassian Baldwin saß zufrieden auf der Dachterrasse seines großen, gemieteten Hauses, das er in typisch kosmopolitischer Art mit zwei englischen Stripperinnen, einem Buddhisten aus Florida und einem marokkanischen Kräuterkundler teilte. Es war schon spät. Am samtschwarzen Nachthimmel funkelten die Sterne.
    Zusammen mit seinem Literaturagenten sah Cassian den Schlangenbeschwörern und Akrobaten auf dem Djemaa el Fna, dem bemerkenswerten Marktplatz von Marrakesch, zu. Seit sie die Dachterrasse betreten hatten, war der Agent aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen, und Cassian beobachtete ihn amüsiert.
    "Das ist schon etwas anderes als London", meinte sein Agent schließlich mit dem typisch britischen Hang zur Untertreibung, wobei sein Blick wie gebannt einer Gruppe von Nomaden aus der Sahara folgte, die majestätisch über den Platz schritten.
    In Lumpen gekleidet, schreiten sie wie die Könige, dachte Cassian und fand wieder einmal seine Überzeugung bestätigt, dass das Äußere oftmals nichts über die wahre Person aussagte. "Die gleiche Welt, aber völlig andere Werte und Wünsche. Das Leben auf das absolut Notwendige reduziert: das Bedürfnis nach Essen, Unterkunft und Liebe", bemerkte er beiläufig, schenkte den Kaffee aus einer Kanne mit versilbertem Ausgießer ein und bot dann seinem Agenten süßes Gebäck an.
    Die Szenerie unten auf dem Markt regte seine Fantasie an, brachte ihn aber nicht mehr aus der Fassung. Nachdem er ein Jahr hier lebte, war ihm das alles wunderbar vertraut geworden: die Geschichtenerzähler, die Schlangenmenschen, die Gaukler und das Berbervolk, bunt durchmischt von staunenden Touristen. Inzwischen hatten sich seine Ohren an den Lärm gewöhnt. Trommeln, Becken und westliche Musik übertönten das Stimmengewirr … und dankenswerterweise auch die Schmerzenslaute vom Stand des Dentisten, der mit Feuereifer von seinen Zangen Gebrauch machte.
    Cassian, der sich gern starken Gefühlen und sinnlichen Erfahrungen verschrieb, sog dieses unverwechselbare menschliche Flair förmlich in sich auf, zusammen mit dem Duft exotischer Gewürze und Gerichte von den Kohlenfeuern, die ringsum auf dem Platz glühten. Und dabei fragte er sich neugierig, wohin ihn seine Leidenschaft, das Leben in vollen Zügen zu genießen, als Nächstes tragen würde.
    "So." Sein Agent lehnte sich zufrieden zurück. "Nachdem Sie jetzt Ihr Buch fertig haben, werden Sie und Ihr Sohn sicher eine Weile nach Hause zurückkehren, oder?"
    Cassian trank einen Schluck türkischen Kaffee und genoss das starke Aroma. "Jai und ich, wir haben kein Zuhause."
    Andererseits … Wie zum Widerspruch tauchte plötzlich ein Bild vor seinem geistigen Auge auf. Statt der nächtlichen Marktszene unten mit ihren exotischen Gauklern und lodernden Fackeln sah er plötzlich smaragdgrüne Hügel, gesäumt von grauen Steinmauern, uralte Wälder und kleine Dörfer an den Ufern eines klaren, wirbelnden Flusses. Die Yorkshire Dales … und vor allem: Thrushton.
    Überrascht atmete er tief ein. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er eine schmerzliche Sehnsucht nach einem Ort, den er einmal gekannt und geliebt hatte. Das erstaunte ihn zutiefst. Bis dahin hatte er jeden Ort voller Neugier und Lebensfreude angenommen, ihm stets auch seine dunkleren Seiten entlockt, um daraus die Stoffe für seine beliebten Krimis zu schaffen, die er unter dem Pseudonym Alan Blake veröffentlichte … und war dann zu neuen Horizonten aufgebrochen.
    "Aber zumindest haben Sie erst einmal Ihre Freiheit wieder", fuhr sein Agent leutselig fort, "und müssen nicht mehr stundenlang am PC sitzen."
    "Ich habe meine Freiheit noch nie verloren. Und wenn ich das je befürchten müsste", antwortete Cassian ruhig, "würde ich sofort mit dem Schreiben aufhören."
    "Um Himmels willen, bloß nicht! Wir haben wieder ein lukratives Angebot von einem Filmproduzenten für Ihr nächstes Buch." Die Vorstellung, seine zwölf Prozent Provision verlieren zu können, versetzte den Agenten in Panik.
    Doch Cassian hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Seine scharfen Ohren hatten in der kleinen Gasse neben dem Haus ein ungewöhnliches Geräusch registriert. Er trat an die niedrige Brüstung und sah da unten einen Mann, der sich zusammengekrümmt und stöhnend am Boden wälzte. Eine dunkle Gestalt lief davon und verschwand in der Nacht. Cassian entschuldigte sich bei seinem Agenten und ging hinunter, um der Sache auf den Grund zu gehen.
    Wenige Minuten später entdeckte er, dass

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