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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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gelben Schuhen sich direkt an sie gewandt. »Die Bogenhausens haben in Straßburg eine Dependance. Mein Bruder fährt nächste Woche wieder hin. Vielleicht sitzen Sie ja in derselben Kutsche wie er - dieser Verrückte pflegt nämlich die Ordinari-Post unserem eigenen Wagen vorzuziehen!« Er hatte spöttisch aufgelacht. »Mein Bruder liebt den Kontakt mit dem einfachen Volk, müssen Sie wissen.«
    Friederike und Simon Feilner hatten einen beredten Blick gewechselt, und sogar Benckgraff schien peinlich berührt gewesen zu sein. Sie wunderte sich noch immer über Emanuel Bogenhausens Wunsch, sie persönlich kennenzulernen, denn außer einem achtlos dahingeworfenen Lob über ihre Dose mit der Pudeldame, offenbar eine seiner letzten Errungenschaften, hatte er sonst kein Wort mehr an sie verloren. Beim Abschied hatte er ihr seine
schlaffe Hand hingehalten und ihr noch einmal ins Gesicht gesehen, einen Wimpernschlag zu lange, als glaubte er, sie von irgendwoher zu kennen. Ein merkwürdiger Mensch, wie auch Benckgraff hinterher ungefragt zugegeben hatte, aber das war ihr egal gewesen, schließlich hatte ihr Interesse nicht Emanuel Bogenhausen gegolten, sondern seinem Bruder: Carl Bogenhausen, ihrem Lebensretter, in dessen Kutsche nach Straßburg sie am kommenden Donnerstag steigen würde, um sich im Laufe dieser langen Reise endlich bei ihm für den verfluchten Kuss im Gewürzspeicher zu entschuldigen.
    Doch der Mann, dessentwegen sie ihre Abreise um zwei Tage verschoben hatte, schien sie entweder nicht bemerkt zu haben oder wollte sie absichtlich nicht zur Kenntnis nehmen. Den Ledervorhang vor dem Fenster hatte er zur Seite geschoben, sodass sie auf den Fluss schauen konnte. Sie schienen sich auf der Mainbrücke zu befinden. Ein großer Lastkahn mit einem Segel, beladen mit Holz, glitt auf sie zu. Friederike sah den lang gestreckten Schiffsrumpf langsam unter der Brücke verschwinden. Rumpelnd erreichte die Kutsche das Sachsenhäuser Ufer, als sie ein tiefes Schlagloch durchfuhren. Sie wurde gegen den unfreundlichen Herrn zu ihrer Rechten geworfen, der prompt ein unwilliges Grunzen von sich gab und sie unsanft zurück auf ihren Platz schob.
    Unauffällig äugte sie zu Carl Bogenhausen hinüber. Er war in einen schlichten dunklen Tuchrock gekleidet, die Uniform der Kaufleute. So im Profil wirkte seine Nase etwas zu lang. Sie rief sich ihre wenigen bisherigen Begegnungen mit ihm in Erinnerung: den Wald bei Hanau, wo er die zwei Banditen in die Flucht geschlagen und die anschließende Nacht einträchtig mit ihr zusammen in dem schmalen Gasthausbett verbracht hatte. Damals hatte er noch Richard Hollweg geheißen, ein Abenteurer, der ihr nicht sagen wollte, wohin seine Reise ihn führte. Und dann Frankfurt, im »Lachenden Abessinier«, mit diesem überdrehten Journalisten an seinem Tisch und dem unterwürfigen Kellner,
der dem »werten Herrn Bogenhausen« jeden Wunsch von den Lippen ablas. Waren sie direkt nach dem feudalen Essen in den Gewürzspeicher gegangen, wo sie ihren Aussetzer gehabt hatte? Schnell verdrängte sie jeden Gedanken an den Kuss. Und dann war da noch Carl Bogenhausens Verlobte gewesen, dieses rosa gewandete verwöhnte Püppchen mit dem französischen Namen, das sie am nächsten Tag auf der Messe hatte erleben dürfen. Ob er schon mit ihr verheiratet war?
    Sie riskierte einen Blick auf seine Hände. Nein, kein Ehering zierte seine Finger, nicht einmal ein Siegelring, wie man ihn bei einem vornehmen Frankfurter Bürger eigentlich hätte erwarten können. Also war er vielleicht wieder in geheimer Mission unterwegs? Aber dann hätte ja sein Bruder nichts von seiner bevorstehenden Reise gewusst, korrigierte sie sich in Gedanken.
    »Es zieht!«, schimpfte der Nörgler neben ihr, sodass Carl Bogenhausen den Ledervorhang zurückfallen ließ und die ganze Reisegesellschaft wieder im Halbdunkel saß.
    Sie befanden sich noch immer in Sachsenhausen, als die Kutsche ruckartig stehen blieb. Instinktiv hielt sich der brutal aus dem Schlaf gerissene Jude an Friederike fest, um nicht vom Sitz zu fallen. Die korpulente Dame auf der gegenüberliegenden Sitzbank hatte sich mit einer Hand in den Fleischmassen ihres Ehemannes festgekrallt, während sich die Finger ihrer anderen Hand in das abgewetzte Polster des Sitzes bohrten. Der Lärm draußen schwoll an.
    Mit einem Ächzen beugte sich der Perückenträger über seine Gattin und schob den Vorhang an ihrer Seite zurück, um aus dem Fenster zu sehen.
    »Von hier aus kann ich

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