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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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nichts erkennen. Schauen Sie mal?«, wandte er sich an Bogenhausen. »Vielleicht sehen Sie ja, warum wir hier anhalten mussten.«
    »Ein Fuhrwerk versucht zu wenden, und alle anderen wollen trotzdem passieren. Das klappt aber nicht, und deshalb hat sich ein Stau gebildet. Es wird bestimmt gleich weitergehen.«

    Friederike zuckte zusammen. Seine Stimme - sie hatte ganz vergessen, wie warm ihr Timbre klang, wie vertrauenerweckend.
    Für einen Moment hatte Carl Bogenhausen den Kopf in Richtung des Perückenträgers gedreht. Seine Augen streiften sie, als er sich nun wieder zum Fenster wandte. Ein Aufflackern in seinem Blick verriet ihr, dass er sie ebenfalls erkannt hatte. Doch er nickte ihr nur kurz zu. Es war die kleinstmögliche Form eines Nickens. Alles an ihm drückte aus: »Ich habe dich gesehen, will aber nichts mit dir zu tun haben.«
    Der Mann neben Friederike zog erneut seine Uhr aus der Tasche und überprüfte mit verkniffenem Gesichtsausdruck die Zeit. Zuckelnd ging es weiter, aber schon kurze Zeit später hielten sie wieder an.
    »Da ist das Affentor«, vermeldete Carl Bogenhausen ungefragt. »Aber es befinden sich noch drei Fahrzeuge vor uns.«
    Stur schaute er aus dem Fenster.
    Als sie endlich die Landstraße erreicht hatten, setzte der Postillion die Pferde in Galopp. Friederike hielt sich nun auch an dem schäbigen Polster fest. In einer Kurve legte sich die Kutsche zur Seite, als berührten nur noch zwei Räder den Boden.
    »Mon Dieu!« , entfuhr es der nach Amber duftenden Dame. »Das darf doch nicht wahr sein!« Sie sprach mit stark französischem Akzent.
    »Erst das Gezockel und nun das!«, stimmte ihr der schlecht gelaunte Herr zu und warf erneut einen Blick auf seine Uhr. »Aber auf diese Weise kommen wir vielleicht pünktlich in Basel an.«
    »Basel? Mais non! Bâle? Ce n’est pas vrai! Au moins je l’espère bien …« Die Französin wirkte ganz aufgelöst.
    »Wenn Sie nach Basel wollen, sind Sie hier falsch«, stimmte der Mann mit der Allongeperücke ihr zu. Er zog einen Picknickkorb unter der Bank hervor und reichte ihn seiner Frau.
    Friederikes Sitznachbar schaute nun voller Hoffnung auf sie:
    »Wohin fahren Sie, Monsieur?«

    »Auf jeden Fall nicht nach Basel.«
    Sie hatte nicht die Absicht, ihre Reiseroute zu verraten, obwohl eigentlich völlig klar war, dass diese Post nach Straßburg ging und anschließend weiter nach Paris fuhr.
    »Die Kutsche nach Basel fährt erst nach dieser los. Das weiß ich ganz genau. Ich komme nämlich aus Lyon. Aber heute fahre ich nach Paris. Directement . Sie sitzen in der falschen Post, Monsieur.« Die Amberduftdame hatte ihre Fassung wiedererlangt.
    Der Meckerer wandte sich an den erneut eingeschlafenen Mann mit den Schläfenlocken. Er musste sich über Friederike beugen, um ihn anstoßen zu können.
    »Monsieur, das ist doch die Post nach Basel?«
    Der Jude fuhr hoch und schaute ihn entgeistert an.
    »Basel? Ich fahre nur nach Darmstadt.«
    Erschöpft schloss er erneut die Augen. Auch er hatte mit einem Akzent gesprochen.
    Schließlich wandte sich Carl Bogenhausen vom Fenster ab. Mit fester Stimme, als wollte er die Diskussion endlich beenden, verkündete er:
    »Sie sitzen in der falschen Kutsche, mein Herr.«
    Die dicke Frau mit der Pelzdecke hatte inzwischen Pralinen aus ihrem Picknickkorb hervorgeholt und bot ihnen allen davon an. Friederike triumphierte innerlich: Ihr Feind, der ihr den Platz streitig gemacht hatte, saß in der falschen Kutsche!
    »Was mache ich dann? Ich muss zu einem Kongress nach Genf. Ich bin Uhrmacher. Ich hätte schon gestern abreisen sollen. Nun muss ich wohl zurück …«
    Er drehte sich zu dem kleinen Fenster um, hinter dem der Conducteur auf seinem Bock hockte.
    Doch dieser reagierte erst, als der Uhrmacher wütend mit den Fäusten gegen die Wand zu trommeln begann. Sein Gesicht war rot vor Kälte und Wind, als er die Luke öffnete.
    »Ja, Monsieur, was ist?«
    »Wir müssen umkehren! Ich sitze in der falschen Kutsche. Ich
muss nach Basel.« Er wühlte in seiner Rocktasche herum und steckte dem Conducteur eine Münze zu.
    »Mais non, un moment, je vous en prie!« , rief die Französin aufgebracht. »Zurückfahren kommt überhaupt nicht in Frage!«
    »Beruhigen Sie sich, Madame - und Sie auch, Monsieur! -, das ist alles gar kein Problem. Wir halten sowieso in Darmstadt an und wechseln die Pferde. Da steigen Sie, Monsieur, einfach aus und warten auf die Post nach Basel.«
    Als würde er kein Wort des Widerspruchs mehr dulden

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