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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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gedacht, Herr Rütgers«, sagte der Direktor langsam.
    »Wäre nicht Feilner viel geeigneter? Er hat deutlich mehr Erfahrung als Rütgers!«
    Caspar hatte wie aus der Pistole geschossen reagiert. Wie schon seit einiger Zeit hatte er ihren Namen auch jetzt wieder so seltsam betont, dass sich eigentlich jeder Zuhörer fragen musste, ob damit etwas nicht stimmte. Doch weder Benckgraff noch die anderen beiden Kollegen achteten weiter auf die Spitze.
    Will er mir etwa die Tour vermasseln?, ging es Friederike durch den Kopf. Egal, um was es sich handelte, Caspar schien ihr nichts zu gönnen. Natürlich musste er seine Meinung mit Argumenten unterlegen, sonst wäre sein Angriff zu plump und zu offensichtlich gewesen. Dabei würde sie so gern nach Frankreich fahren! Immer schon hatte sie davon geträumt, dieses Land kennenzulernen. Und die Aussicht, in Vincennes mit der
Pompadour zusammenzukommen, aus nächster Nähe beobachten zu können, wie diese Frau ihr völlig eigenbestimmtes Leben an der Seite des mächtigsten Mannes von Frankreich lebte, faszinierte sie zutiefst. Abgesehen davon wäre es auf jeden Fall sinnvoll, für einige Monate aus Höchst zu verschwinden: So würde sie auf elegante Weise dem drohenden Besuch Georgs und Charlottes entgehen, ohne dass irgendjemand eine Absicht dahinter vermuten konnte.
    »Erfahrung ist nicht alles, worauf es ankommt«, kam Simon Feilner ihr zu Hilfe. »Und auch da bin ich mir nicht sicher, ob das überhaupt stimmt. Rütgers hat wahrscheinlich genauso viel Erfahrung wie ich. Außerdem hat er den großen Vorteil, dass er keine Familie hat, um die er sich kümmern muss.«
    Simons Frau hatte vor Kurzem Zwillinge bekommen, sodass seine Familie nun auf fünf Personen angewachsen war. Er konnte sich eine längere Abwesenheit von zu Hause auf keinen Fall leisten. Johannes Zeschinger hatte gleich abwehrend die Hände gehoben. Wahrscheinlich hält der Alte ihn sowieso nicht für geeignet, wägte Friederike ab. Johannes war einfach zu langsam. Ein guter Handwerker, ein sehr guter sogar, aber ihm fehlte es an Esprit und Durchsetzungskraft.
    »Es gibt noch einen Grund, warum ich Feilner hier brauche. Und Sie auch, Herr Ebersberg.« Benckgraffs kleine Augen hinter der runden Brille strahlten Autorität aus. »Wir müssen unbedingt das Problem mit den Brennöfen in den Griff bekommen. Dazu brauche ich Sie beide. Rütgers hat keine Ahnung vom Brennen.« Er wandte sich an seine Maler: »Falls Sie es noch nicht gemerkt haben sollten, meine Herren: Herr Ebersberg hat den Brennern nun ganz genaue Vorgaben gemacht. Er kontrolliert jedes Stück, vor und nach dem Brand. Wir müssen abwarten, ob es besser wird.«
    Wie aus dem Nichts stand plötzlich der Assistent neben Benckgraff, eine große, dezent geblümte Kaffeekanne mit leicht angeschlagener Tülle in der Hand, um ihnen nachzuschenken.
Er hatte die Tür so leise geöffnet, dass niemand sein Kommen bemerkt hatte. Nicht nur wegen seines pockennarbigen Gesichts ging etwas Gespenstisches von ihm aus.
    »Also, was denken Sie, Herr Rütgers?«
    Statt seine Frage direkt zu beantworten, stand Friederike auf, nahm ihre Kaffeetasse und trat zum Fenster. Sie ließ ihren Blick über den tristen Hof und die dahinterliegende Gasse schweifen. Kein Mensch weit und breit. An einem Tag wie diesem, grau und diesig, eigentlich auch kein Wunder, dachte sie. Wenn man in den Himmel schaute, konnte man nicht einmal erahnen, dass es dort irgendwo eine Sonne gab, so dicht war die Wolkendecke. Obwohl es früh am Vormittag war, schien es, als hätte die Dämmerung bereits eingesetzt. Kein Tropfen Regen fiel, kein Windhauch bewegte die kahlen Äste der alten Weide. Ein Wetter, das auf die Stimmung schlug. In Frankreich waren die Winter bestimmt angenehmer als in Höchst. Sonniger, lichter, wärmer. Und Paris lockte! Vielleicht würde sie ja sogar die Möglichkeit haben, einen echten Ball zu besuchen, in Versailles oder einem anderen Schloss. Wie lange hatte sie nicht mehr getanzt, in festlicher Atmosphäre mit vornehm gekleideten Menschen geplaudert, raffinierte Speisen genossen und sich die ganze Nacht lang amüsiert! Gedankenverloren nippte sie an ihrem Kaffee. So lauwarm schmeckte er ihr am besten. Aber was, wenn Caspar ihre Abwesenheit dazu nutzte, die Kollegen gegen sie aufzuhetzen?, durchfuhr es sie plötzlich. Nachher kam sie in ein paar Monaten nach Höchst zurück, und ihr würde sogleich die Kündigung präsentiert! Wegen Betrugs. Und wegen Unfähigkeit natürlich

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