Die Porzellanmalerin
Christian Rütgers, Porzellanmaler aus Meißen.« Sie fiel erneut in einen Kratzfuß. »Ich suche Arbeit, deshalb bin
ich hier. Mir wurde gesagt, in Vincennes sei das Können von uns Sachsen sehr gefragt …«
»In der Tat, in der Tat«, lächelte die Pompadour ironisch.
»Und da kommen Sie einfach so vorbei, in der Hoffnung, wir würden Sie hier mit offenen Armen empfangen … Ganz schön mutig, junger Mann, um nicht zu sagen: reichlich naiv! Was meinen Sie wohl, warum der König die Manufaktur in dieser gewaltigen Festung untergebracht hat?«
Das kleine Mädchen war an der Marquise vorbei zurück in die Kutsche geklettert, während der Lakai den schlammüberzogenen Pantoffel notdürftig mit seinem Rock zu säubern versuchte. Schon halb im Sitzen drehte sie sich um und warf Friederike eine Kusshand zu.
»Vielen Dank, Monsieur!«, lachte sie vergnügt.
Ohne Friederikes Antwort abzuwarten, die eine Erklärung hervorstammeln wollte, fuhr die Pompadour fort:
»Mir wurde gesagt, in Meißen sei das nicht anders als hier - da arbeitet ihr doch auch hinter dicken Mauern und habt Angst, dass euch einer euer Arkanum entlockt!«
Bescheiden senkte Friederike den Kopf. Ihr war klar, dass nun alles auf der Kippe stand: Wenn sie sich jetzt im Ton vergriff, konnte sie Vincennes und ihren Auftrag ein für allemal vergessen.
»Ja, das war in der Tat reichlich naiv von mir, Madame«, bestätigte sie kleinlaut. »Das habe ich auch gerade gedacht, als ich hier im Matsch stand, meine Kutsche sich immer weiter entfernen sah und ich plötzlich nicht mehr ein noch aus wusste.«
Das Mädchen beugte sich wieder aus dem Wagen.
»Der Mann soll mitkommen, Tante!«, quengelte sie.
Der kleine Hund leckte ihre Hand.
Statt ihrer Nichte zu antworten, musterte die Mätresse des Königs Friederike von oben bis unten. Einen Moment starrten sie einander schweigend an. Friederike schlug als Erste die Augen nieder.
»Sie haben Glück, dass Sie mich getroffen haben«, sagte die Marquise schließlich kühl. »Ich hoffe, Sie wissen das zu schätzen! Blumen malen können Sie doch sicher, oder? Deutsche Blumen, wohlgemerkt!«
Friederike nickte eifrig. Geschafft! Sie hatte die Pompadour von sich überzeugt - was auch immer den Ausschlag dazu gegeben hatte. Ihr war ein wenig blümerant zumute, fast glaubte sie zu träumen. Sollte ihr Entree in der Manufaktur des französischen Königs wirklich so einfach gewesen sein?
»Gut. Wäre ja sonst noch schöner gewesen. Figürliches beherrschen Sie ebenfalls?«
Die Marquise hatte sich in einer anmutigen Bewegung auf die oberste Trittbrettstufe geschwungen und blickte auf Friederike herab. Ihre Stimme klang nun ganz geschäftsmäßig.
»Sie haben vielleicht mitbekommen, dass unser Verkaufsschlager der letzten Jahre die plastischen Porzellanblumen waren. Buketts, Gestecke, aber auch Verzierungen bei Uhren, Kronleuchtern etcetera. Für meinen Geschmack hat sich das ein wenig totgelaufen, daher möchte ich gern mehr auf Figuren gehen. Tiere, Kinder, Schäferszenen, vielleicht ein paar Musikanten, außerdem Chinesen …«
Friederike musste sich beherrschen, ihr nicht ins Wort zu fallen. Chinesen waren noch immer ihre Spezialität, nur hatte sie in Höchst kaum mehr Gelegenheit gehabt, die niedlichen kleinen Porzellanfiguren zu bemalen. Die einzige Ausnahme war ein rauchender Chinese gewesen, ein weniger gelungenes Werk von Caspar.
Die Pompadour hatte ihre Regung bemerkt. Nickend fuhr sie mit ihren Ausführungen fort:
»Ich möchte gern, dass wir uns in der Malerei ein wenig mehr an den Werken der großen Meister wie Boucher oder Lemoyne orientieren. Was die Modelle betrifft, haben wir schon angefangen, die Skulpturen aus den Parks von Versailles oder den Jardins des Tuileries nachzuempfinden. Aber in der Malerei sollten
diese Motive auch mehr Verwendung finden, und zwar nicht nur bei den Figuren, sondern auch beim Gebrauchsgeschirr. Wissen Sie, was ich meine?«
Unter dem freudigen Kläffen des Schoßhündchens und den vergnügten Zwischenrufen der kleinen Antoinette hatten die Pompadour und Friederike ihre Fachsimpelei schließlich in der Kutsche fortgesetzt, bis der Sechsspänner vor den Türen der Manufaktur haltgemacht hatte. Friederike war es kaum gelungen, während der Fahrt einen Blick auf die Schlossanlage innerhalb der Festungsmauern zu werfen, so gefangen war sie von ihrer Unterhaltung mit der Mätresse des Königs. Sie konnte gut verstehen, dass Louis XV. dieser Frau einst verfallen war.
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