Die Porzellanmalerin
würzen.«
Lauter Aphrodisiaka, wusste Friederike. Carl hatte ihr davon erzählt. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wie sie auf dieses Thema gekommen waren - jedenfalls nicht, weil sie selbst dergleichen Aufputschmittel nötig gehabt hätten.
Sie drehte den Kopf zur Seite, um ihr Schmunzeln zu verbergen, als ihr Blick zufällig zum Fenster ging: die Marne! Ja, das Flüsschen unter der Brücke, die sie gerade überquerten, musste die Marne sein. Immer wieder hatte ihr Weg von Straßburg nach Paris sie an dem Fluss vorbeigeführt. Vor ihren Augen ragte nun eine hohe Mauer auf.
»Na ja, ein paar Fehlgeburten hatte sie auch …« Monsieur Panier schien nicht bemerkt zu haben, dass Friederike abgelenkt gewesen war. »Und Tuberkulose, sagte man mir, zumindest spuckt sie wohl seit ein paar Wochen Blut. Außerdem ist sie innerhalb kürzester Zeit so abgemagert, dass ihr Leibschneider, ein alter Freund von mir, ihre Frühjahrsgarderobe ein gutes Stück kleiner anlegen musste.«
Ein Hauch von Neid auf den Kollegen hatte in seiner Stimme mitgeschwungen.
»Aber … soll das heißen, der König hat schon wieder eine neue Mätresse?«, fragte Monsieur Lirac entgeistert.
Seinem betrübten Gesicht war anzusehen, dass ihn das tragische Schicksal der Pompadour berührte. Er drückte sich in die Ecke der Kutsche, die gerade eine scharfe Kurve hinter sich gebracht hatte. Sie fuhren nun parallel zu der hohen Mauer.
»Offiziell nicht«, beruhigte ihn der Schneider. »Aber er scheint sich anderweitig ›umzusehen‹ - um es mal so zu nennen. Was nicht heißt, dass er die Pompadour nicht mehr lieben oder schätzen würde! Er begehrt sie einfach nicht mehr - oder sie ihn nicht. Nichtsdestotrotz ist ihr Einfluss weiterhin immens, wenn nicht gar größer als je zuvor.«
»Und was hat sie mit der Porzellanmanufaktur zu tun?«, stellte Friederike sich unwissender, als sie war.
Möglicherweise hatte der gut informierte Monsieur Panier ja
noch Neuigkeiten zu berichten, die ihr weiterhelfen würden. Es konnte nun nicht mehr weit bis zum Schloss sein. Sie wusste, dass es mehrere Portale gab, die Einlass in den Bois de Vincennes boten. Der König selbst hatte sie in die Mauer schlagen lassen, um den Wald nach Jahrhunderten der Abschottung für sein Volk zu öffnen. Das hatte ihr der Kutscher erzählt, als sie sich bei ihm während der letzten Rast nach der besten Ausstiegsmöglichkeit erkundigt hatte.
»Die Pompadour interessiert sich sehr für kulturelle Dinge. Sie spielt selbst Theater, wussten Sie das? In ihrem Privattheater, das sie in Versailles einrichten ließ«, mischte sich nun Monsieur Lirac wieder ins Gespräch. Die Farbe war in sein Gesicht zurückgekehrt. »Ihre Lieblingsbeschäftigung scheint aber zu sein, Schlösser zu bauen und einzurichten. Dazu gehören natürlich auch Möbel, Teppiche, Gemälde und eben Porzellan.«
»Ja, und weil ihr Meißener so teuer seid, haben sie und der König beschlossen, die Franzosen ihr eigenes Porzellan herstellen zu lassen. In dem Marquis d’Orry de Fulvy hatten sie jemanden gefunden, der ihnen eine Manufaktur aufbaut. Dann waren da noch diese beiden Brüder, die Dubois’, die das Arkanum angeblich aus Chantilly mitgebracht hatten. Und ein gewisser Gravant. Er ist derjenige, der wohl tatsächlich die Formel für unser Frittenporzellan gefunden hat; ein paar Jahre ist das jetzt her. Nach Fulvys Tod schien das Ganze einen Moment lang in Schieflage zu geraten, man hatte wohl Probleme mit der Nachfolge. Aber mittlerweile heißt es, der neue Direktor genieße das volle Vertrauen von Louis und Madame.«
Henri Panier lächelte selbstzufrieden, als gehöre auch er dem Kreis der Auserwählten an.
»Fulvy ist tot?«, vergewisserte sich Friederike ein wenig erschrocken. Die Nachricht vom Ableben des königlichen Schatzmeisters und Manufakturbegründers war noch nicht bis nach Höchst vorgedrungen, sonst hätte Benckgraff ihr bestimmt davon erzählt.
»Ja, wussten Sie das nicht? Er war schon längere Zeit krank und ist im vergangenen Jahr elendig eingegangen. Wahrscheinlich irgendeine Seuche, die er sich auf seinen vielen Reisen geholt hat. Und was meinen Sie, was man alles in seinen Gemächern gefunden hat! Er hatte ja das Privileg, im Schloss eine Wohnung unterhalten zu dürfen. Über drei Etagen, stellen Sie sich das einmal vor!« In Monsieur Liracs ein wenig zu hoher Stimme schwang Entrüstung mit. »Auf Unmengen an Champagner und jede Menge anderer Schätze sind die Bediensteten des
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