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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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eingeschenkt. Um Brust und Bauch hatte sie ein buntes Tragetuch gebunden, in dem ihr neugeborener Sohn schlummerte. Ein Strahlen schien von ihr auszugehen, ihr Gesicht leuchtete regelrecht, obwohl sie allen Grund hatte, Erschöpfung zu zeigen. Kaum dem Kindbett entstiegen, hatte sie auch an diesem Tag wieder von Hand mehrere Dutzend Porzellanblumen geformt.
    Friederike wohnte gern bei den Gravants. Hier fühlte sie sich heimisch, hatte sie doch in den feuchten Mauern des Donjon irgendwann einen richtigen Koller bekommen. Die Räume der Gefängniswärter
und somit auch ihre Kammer lagen zwar in der obersten Etage des Turms, und man hatte einen fantastischen Ausblick von dort, ja sogar die Verpflegung des Personals und die Stimmung waren verhältnismäßig gut gewesen, aber trotzdem war sie den Eindruck nie losgeworden, ständig mindestens ein Augenpaar auf sich zu fühlen, als zählte sie selbst zu den Inhaftierten und als müsste jeder ihrer Schritte argwöhnisch beobachtet werden. Sie hatte François Gravant nach einer abermals durchwachten Nacht ihr Leid geklagt, und dieser hatte ihr spontan angeboten, zu ihm und seiner Familie zu ziehen. Immer wieder musste sie an die von Löwenfincks denken, seit sie in dem engen Zimmerchen bei den Gravants untergekommen war. Wie Maria Seraphia schien auch Henriette Gravant ihrem Ehemann trotz der beiden Kinder in der Ausübung ihres Handwerks ebenbürtig. Noch dazu war sie in alle seine Geschäfte eingeweiht und hatte sogar Teil an seinen geheimen Abmachungen mit Fulvy gehabt. Viel mehr, als dass die Gesellschaft ihnen für die Überlassung des Rezeptes zur Herstellung von Frittenporzellan alljährlich eine stattliche Summe Geld zahlte, hatten sie Friederike zwar nicht sagen wollen, aber es war klar, dass die Gravants gemeinsam für eine Sache einstanden und einander bedingungslos vertrauten.
    Mit einem Mann wie Carl wäre so etwas wohl kaum möglich, überlegte Friederike. Henriette hatte ihr den kleinen Louis-François in den Arm gedrückt und machte sich nun am Herd zu schaffen, während ihr Mann an seinem Schreibtisch saß und im Schein einer Öllampe einen faustdicken blau glänzenden Stein untersuchte. Eine Ehe mit Carl würde zweifellos bedeuten, dass die Frau die traditionelle Rolle als Hausfrau und Mutter einzunehmen hatte, während der Mann seinen Geschäften nachging und sich nur hin und wieder zu Hause blicken ließ. Verschlossen, wie Carl in beruflichen Dingen war, würde seine Frau vermutlich auch selten erfahren, was ihn im Innersten bewegte, wenn er unterwegs war und mit immer wieder anderen Leuten in Kontakt kam.

    Sachte strich Friederike dem Säugling über den Kopf. Sie fühlte sich nach wie vor ein wenig unsicher im Umgang mit dem strampelnden Windelpaket, genoss es aber, das winzige Kind auf dem Schoß zu halten, zumal auch Louis-François - sofern sie sein zahnloses Grinsen und fröhliches Gebrabbel richtig deutete - nichts dagegen zu haben schien, sie für einen Moment gegen seine Mutter einzutauschen.
    Aber trotz allem vermisste sie Carl, das musste sie sich immer wieder eingestehen. Und Josefine! Die lebenskluge Freundin hätte sicher gewusst, wie sein hartnäckiges Schweigen auf ihren Brief unmittelbar nach ihrer Ankunft in Vincennes zu interpretieren wäre. Und wenn sie sie nur mit ein paar Höchster Tratschgeschichten von ihrem zunehmenden Unmut abgelenkt hätte. Carl hatte sich mit keinem Sterbenswort bei ihr gemeldet - wie Giovanni seinerzeit. Ob das ihr Schicksal war, dass sie immer wieder mit Männern zusammenkam, die sie einfach nur benutzten? Sich mit ihr ein, zwei Nächte vergnügten, um dann nie mehr einen Laut von sich zu geben? Aber Carl doch nicht, rief sie sich in Erinnerung, Carl war viel zu ernsthaft und solide für ein solches Verhalten. Selbst wenn er in Hochzeitsvorbereitungen mit seinem albernen Püppchen schwelgte, so würde er doch zumindest so viel Anstand besitzen, auf ihren Brief zu reagieren. Und sei es mit der Bitte, ihn für alle Zeiten in Ruhe zu lassen. Wenn doch nur Josefine da wäre, der sie ihr Herz ausschütten könnte! Sie hörte förmlich, wie die Freundin mit verschwörerischer Miene lästerte: »So sind die Männer eben: Erst gehst du mit ihnen ins Bett, und dann melden sie sich nie wieder bei dir!«
    Das Krähen des kleinen Gravant zwang sie, ihren Blick vom Kaminfeuer zu lösen und sich dem Kind in ihren Armen zuzuwenden. Auch François hatte seinen Stein Stein sein lassen und sich zu ihr und dem Säugling

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