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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Schönheit, wenn auch ein wenig verblichen, Charme und ein außerordentlich wacher Geist schienen sich in ihr zu vereinen. Noch dazu hatte die Pompadour ihr nicht einen Moment mehr zu verstehen gegeben, dass sie gesellschaftlich weit unter ihr stand. Von gleich zu gleich hatte sie mit ihr gesprochen und ihr, im Gegenteil, sogar bedeutet, dass sie größten Respekt vor ihrem Berufsstand hatte.
    »Liebe Tante, ich glaube, wir sind da!«, unterbrach das Mädchen den Redefluss der Marquise.
    Der Wagen hatte bereits vor einer ganzen Weile vor dem Pavillon du Roi Halt gemacht. Nun riss der Kutscher beide Türschläge auf. Verängstigt starrte er aus der zu großen Livree auf seine Herrin, als hätte er Angst, etwas falsch gemacht zu haben.
    Schon eilte ihnen ein älterer Mann entgegen, der Manufakturdirektor, wie Friederike annahm.
    »Madame …«, versank er in einen tiefen Kratzfuß.
    »Mein lieber Boileau, ich bringe Ihnen einen neuen Mitarbeiter. Einen Porzellanmaler aus Meißen!« Die Pompadour ließ ein glockenhelles Lachen erklingen. »Sie haben es ja nicht geschafft, einen zu finden - mir laufen sie einfach über den Weg.«
    Plötzlich schien sie es sehr eilig zu haben. Sie raffte ihre Röcke zusammen und machte sich daran, aus der Kutsche zu steigen.

    Ohne Friederike anzusehen, erklärte sie ihr hastig, dass sie sich am nächsten Morgen in aller Ruhe die Räumlichkeiten ansehen und fürs Erste im Donjon übernachten solle, in dem auch das Gefängnispersonal logiere, alles andere werde man dann sehen.
    Mittlerweile waren einige weitere Mitarbeiter der Manufaktur aus dem Gebäude gekommen, um die Marquise zu begrüßen. Der Direktor winkte einen jüngeren Mann heran, der Friederike wegen seines ebenso eleganten wie lässigen Kleidungsstils entfernt an Caspar erinnerte. Boileau murmelte ihm etwas ins Ohr und zeigte dann auf sie.
    »Ja, ja, gehen Sie nur mit Bachelier, er ist unser Obermaler!«, rief die Marquise ihr zu.
    Hinter ihr war das kleine Mädchen mit dem Hund im Arm vom Trittbrett gesprungen.
    »Auf Wiedersehen, Frédéric!«, verabschiedete sich Antoinette mit einer lustigen Grimasse, warf ihr eine letzte Kusshand zu und schloss rasch zu ihrer Tante auf, die am Arm des Direktors zielstrebig auf die Manufaktur zugesteuert war und bereits die Schwelle übertreten hatte.
    Nur der Duft ihres Parfums lag noch in der Luft, als Friederike aus dem Gebäudeinneren ein spöttisches »Auf bald, lieber Rütgers!« erklingen hörte.

    Sechs Wochen später beglückwünschte Friederike sich noch immer zu dem Zufall, die Pompadour vor den Toren des Schlosses von Vincennes getroffen und sich dank ihrer Empfehlung Zutritt in die Manufaktur verschafft zu haben. Sie bezweifelte, dass sie auf anderem Wege das Vertrauen sowohl des Direktors Boileau als auch seines sehr von sich eingenommenen Obermalers Bachelier hätte erringen können. Letzterer war zwar in der Tat ein Künstler herausragenden Ranges, aber mit dem entscheidenden Nachteil, dass er niemanden neben sich duldete und
seine Untergebenen nur streng nach seinen Vorlagen malen ließ. Gemessen an ihrem Alltag in Höchst war das Leben in dem kleinen Örtchen La Pissotte zwar weit weniger vergnüglich, aber sie war ja schließlich nicht in Vincennes, um sich zu amüsieren, sondern um für Benckgraff das Geheimnis der französischen Farben zu ergründen. Bisher hatte sie allerdings erst herausgefunden, dass ein gewisser Pierre-Antoine-Henri Taunay, der eigentlich Goldschmied war, seit Jahren schon mit Farben experimentierte und immerhin ein Purpurrot zustande gebracht hatte, das sich mit dem aus Meißen auf jeden Fall messen konnte. Auch der Erfinder des Frittenporzellans und neuerdings ihr Zimmerwirt, François Gravant, beschäftigte sich nicht nur mit der Optimierung der Porzellanmasse, sondern ebenso mit der Kunst der Pigmentherstellung.
    »Weißt du, Frédéric«, hatte er eines Tages beim Abendessen geseufzt, »dieser ewige Wettstreit zwischen den Porzellanmanufakturen geht mir ganz schön auf die Nerven. Wieso müssen wir jetzt unbedingt die leuchtendsten und schönsten Farben aller Zeiten herstellen? Macht ihr in Meißen doch eure Sache, und wir machen unsere! Der Markt ist groß genug, um ihn sich zu teilen. Euer König soll eure Waren kaufen und unserer das, was wir hier in Vincennes herstellen. Schließlich gehört ihm die Manufaktur zu einem Viertel.«
    Seine Frau Henriette hatte ihm besänftigend übers Haar gestrichen und ihm noch ein Glas Rotwein

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