Die Porzellanmalerin
Königs gestoßen, als sie die Wohnung leer geräumt haben! Und auf eine riesige Sammlung Meißener Porzellan.«
»Außerdem hatte er sich ein eigenes Atelier eingerichtet, in dem er selbst Entwürfe angefertigt und an der richtigen Formel für Hartporzellan getüftelt hat.« Monsieur Panier schmunzelte. »Ein seltsamer Vogel muss das gewesen sein. Jeder wusste, dass er ohne seinen mächtigen Bruder niemals vom König mit der Manufakturgründung beauftragt worden wäre. Er hat eine Gesellschaft gebildet und sie die ›Charles Adam Aktiengesellschaft‹ genannt. Und wissen Sie, wer Charles Adam war?«
Als würde er sich wirklich für ihre Antwort interessieren, blickte er sie herausfordernd an.
»Na, ein Strohmann! Es gab wohl tatsächlich einen Mann dieses Namens - man munkelt, es hätte sich um Fulvys Kammerdiener gehandelt -, aber natürlich stand niemand anders als Fulvy selbst dahinter! Doch aus irgendeinem Grund wollte er mit der Sache nicht in Verbindung gebracht werden. Seltsam, oder? Ich könnte Ihnen noch mehr Geschichten erzählen, lieber Frédéric, zum Beispiel, was er da immer in China gemacht hat …«
Friederike schwirrte der Kopf. Sie war erleichtert, als der Wagen nach wenigen Meilen endlich in einem kleinen Weiler zum Stehen kam und der Kutscher ihr bedeutete, nicht näher an das Schloss heranfahren zu können.
»Das ist La Pissotte. Vielleicht finden Sie hier eine Unterkunft. Oder Sie gehen direkt zum Schloss. Von hier aus bis zum
Tour du Village, dem großen Eingangstor, ist es nicht mehr weit. Wenn ich die beiden Herrschaften noch vor Anbruch der Dunkelheit nach Paris bringen soll, müssen Sie jetzt aussteigen, Monsieur.«
Gegen den Protest ihrer Reisegefährten, die den Kutscher vergeblich zu überreden versuchten, Friederike bis zur Manufaktur vorzufahren, kletterte sie aus dem Wagen und schnallte ihren Koffer von der Karosse. Sie ließ sich noch die Anschrift der beiden Herren geben, versprach, bei ihrem geplanten Parisbesuch auf jeden Fall in der Schneiderei vorbeizuschauen, und stand schließlich allein auf dem schlammigen Zufahrtsweg zum Schloss.
Nun war ihr doch ein wenig mulmig zu Mute. Nicht nur erschien ihr der ganze Plan von Benckgraff mit einem Mal äußerst tollkühn - wie sollte sie jemals hinter die Mauern der Porzellanmanufaktur vordringen, ohne dass irgendjemand Verdacht schöpfte und sie sofort der Spionage verdächtigte? Auch erkannte sie mit Schrecken, dass das Gelände so gigantisch war, dass sie wahrscheinlich Tage brauchen würde, die Manufaktur überhaupt zu finden. Ganz zu schweigen von der Frage, wie sie an den Wachposten rechts und links des Eingangstors vorbeikam, das ihr in dem riesigen Turm fast wie ein Mauseloch erschien. Und der Festungsgraben: breiter als der Main bei Höchst!
Schon war die Kutsche mit ihren neuen Freunden hinter der nächsten Abbiegung verschwunden. Friederike sah sich um. Bald würde die Sonne hinter dem kleinen Eichenwald untergehen. Ob sie sich erst im Dorf nach einer Bleibe erkundigen sollte? Aber was nutzte ihr ein Bett, wenn sie keine Arbeit fand? Sie wusste ja noch nicht einmal, ob man sie in der Manufaktur überhaupt beschäftigen würde.
Unschlüssig blieb sie mitten auf der Straße stehen. Nicht einmal ihren Koffer konnte sie der vielen Pfützen wegen absetzen. So ein Elend, da stand sie nun! Wenn doch Carl jetzt da gewesen wäre! Er hätte ihr einen Rat geben oder ihr in dieser unwirtlichen Gegend zumindest Gesellschaft leisten können. Wie er
wohl vorgegangen wäre, um in die Manufaktur zu gelangen? So kaltblütig, wie er Theater gespielt hatte, um sie ins Wohnzimmer von Maria Seraphia von Löwenfinck zu schleusen, wäre ihm bestimmt auch in dieser Situation etwas eingefallen. Kaufleute waren bieder und langweilig, hatte sie geglaubt - dabei hatten sie es faustdick hinter den Ohren.
Ein vertrautes Geräusch, das immer näher kam, ließ sie aufschauen. In atemberaubendem Tempo kam ein Sechsspänner auf sie zugerast. Nach allen Seiten spritzte der Schlamm auf, die sechs Rappen prusteten und warfen die Köpfe zur Seite. Schnell trat sie zurück in den noch unbestellten Acker, um nicht von den aufgeworfenen Matschklumpen getroffen zu werden. Zwei ineinander verschlungene große L zierten die Wagenschläge.
Das Wappen des Königs! Friederike erstarrte vor Ehrfurcht. Genau diese beiden Buchstaben hatten den Boden der Untertasse geziert, die Benckgraff ihr und den anderen Kollegen in Höchst gezeigt hatte. Allerdings standen sie
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