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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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gesellt.
    »Lustig«, sagte er lachend, als er seinen Sohn betrachtete, »er scheint dich für eine Frau zu halten.«

    »Wieso das denn?« Friederike überlief es heiß und kalt.
    »Merkst du nicht, wie er mit der Nase immer wieder gegen deinen Oberkörper stößt? Als würde er nach deinen Brustwarzen suchen. Er hat Hunger, der Kleine! Ganz wie der Papa.«
    Er streckte die Hände aus, um ihr das Kind abzunehmen.
    Sie war froh, dass in dem Moment Henriette zum Essen rief. François war so mit seinem Sohn beschäftigt, dass er ihre plötzliche Verunsicherung nicht bemerkt hatte. Der strenge Geruch der Speisen stieg ihr in die Nase.
    »Ich hoffe, du magst, was ich gekocht habe!«
    Henriette hatte ihre vierjährige Tochter Henriette-Rosalie auf ihren Stuhl verfrachtet, den Deckel vom Topf genommen und damit begonnen, das Essen auf die Teller zu verteilen.
    »Eine Spezialität aus der Normandie, der Heimat meiner Familie: boudin aux pommes au cidre .«
    »Blutwurst mit Kartoffeln in Apfelwein? Das erinnert mich an …«
    Friederike biss sich auf die Lippen. Sosehr sie den neuen Freunden vertraute: Es war wohl dennoch besser, nichts von Frankfurt, Höchst und den dortigen Spezialitäten zu erzählen. Um von sich abzulenken, erkundigte sie sich nach dem blauen Stein, den François untersucht hatte.
    »Ein Lapislazuli. Fulvy hat ihn aus Asien mitgebracht, wir haben ihn in seinem Nachlass gefunden. Du weißt, er ist sehr oft nach China gefahren. Offenbar ist er auch zum Hindukusch gekommen, da stammt der Stein nämlich her. Er war überzeugt, dass wir mit den Pigmenten von diesem Stein ein noch intensiveres Blau für die Grundierung hinbekommen würden, so wie die Chinesen.«
    »Und was meinst du?«, fragte sie neugierig.
    »Keine Ahnung, kann schon sein. Das, was wir bisher probiert haben, hat jedenfalls nicht wirklich funktioniert. Wir haben sogar mit Stofffarben, also Färberwaid und Indigo, herumexperimentiert. Und natürlich mit Kobalt.«

    »Ja, Kobalt nehmen wir in Meißen auch. Für die Blaumalerei. Er muss noch nicht einmal chemisch rein sein und wird je nach gewünschtem Helligkeitsgrad mit Kieselerde versetzt.«
    Je mehr sie von ihren Geheimnissen preisgab, umso größer wäre die Wahrscheinlichkeit, dass auch François sich nicht zurücknahm und von seinen Laborerfahrungen berichtete. Eigentlich tat es ihr leid, ihren freundlichen Gastgeber so auszuhorchen, aber was sollte sie machen: Das war die Gelegenheit, mehr über das kostbare Blau zu erfahren.
    Sie pickte mit der Gabel in ihrem Blutwurstgericht herum. Dichte Dampfschwaden stiegen von dem Teller auf. Sie verströmten einen Geruch, den sie nur als ekelhaft bezeichnen konnte. Doch weder die beiden Gravants noch das kleine Mädchen schienen sich daran zu stören. Eifrig schaufelte Henriette-Rosalie das rötlich gefärbte Apfelkompott in sich hinein.
    »Frédéric, du isst ja gar nichts!«
    Vorwurfsvoll blickte die Kleine sie aus ihren dunklen Augen an.
    »Doch, doch, ich denke nur nach«, beeilte sich Friederike, der Aufforderung des Mädchens nachzukommen. Sie musste sich regelrecht zwingen, die blutige Masse hinunterzuschlucken.
    »Ich habe gehört, hier in Vincennes, aber auch in Chantilly würde zur Herstellung des Blaufarbtons ein bestimmtes Erz verwendet, das aus Kobalt und Wismut besteht …«
    Fragend blickte sie zu François hinüber.
    »Ja, man muss dieses Kobalterz bloß in einer Säure auflösen, Wasser dazugeben und warten, bis der Wismutkalk sich absetzt. Auf diese Weise erhältst du reines Kobaltoxyd, das du trocknest und mit präparierter Kieselerde versetzt. Aber wie gesagt, wirklich überzeugt bin ich davon nicht.«
    François gestikulierte wild mit dem Löffel. Er hatte seinen Teller schon fast leer gegessen.
    »Ich glaube, wir müssen uns mehr an die Chinesen halten«, fuhr er fort. »Neben dem Lapislazuli haben sie angeblich noch
ein anderes Mineral, das dem römischen Vitriol nahekommen soll. Fulvy hat mir noch kurz vor seinem Tod davon erzählt. Tsiu nennt sich dieser Stein. Offenbar ist er bleihaltig und wird nur für die Unterglasurmalerei gebraucht. Er wird zu einem feinen Pulver zerstoßen, das du in einem Gefäß ganz leicht mit Wasser verrührst. Dann schüttest du das Wasser weg, hältst aber die Kristalle zurück. Sie sind jetzt nicht mehr blau, sondern aschfarben. Aber einmal gebrannt, erhält der Tsiu seine schöne ins Violett gehende Farbe wieder, heißt es. Und du kannst die Kristalle immer wieder neu gebrauchen. Ein

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