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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Fenstertische ihren Mokka schlürften, reflexartig die Köpfe in ihre Richtung drehten. »Eine Höchster Rarität, musst du wissen! Ich habe die besten Stücke aus der Werkstatt des ursprünglich aus Meißen stammenden Modelleurs erst vor Kurzem erstanden - für teuer Geld im Übrigen. Du kennst den Mann: Caspar Ebersberg ist sein Name, er war Zaungast auf deiner Hochzeit.«
    Er hatte sich in Friederikes Richtung umgewandt und seine Stimme noch mehr erhoben, sodass auch die anderen Anwesenden im Raum auf sie aufmerksam wurden. Wie beim Jeu de Paume flogen ihre Köpfe von Emanuel zu Carl, von Carl zu ihr und von ihr wieder zu Emanuel.
    »Leider hat deine entzückende Frau, die diesen Ebersberg noch viel besser kennt als wir alle zusammen, sein schönstes Stück vor ein paar Tagen einfach zu Boden fallen lassen.«
    Emanuel lachte aus vollem Halse auf. »Es gefiel ihr wohl nicht recht. Und weißt du, warum, Carl?«
    Dieser hatte die Lippen aufeinandergepresst und schwieg. Grau stachen seine Sommersprossen aus der plötzlichen Blässe seines Gesichtes hervor.
    »Dir hat es wohl die Sprache verschlagen, was, Bruder?«, höhnte Emanuel nun. »Ich will dir sagen, warum deine reizende Gattin das beste Stück aus Meister Benckgraffs Giftschrank mutwillig zerschlagen hat: Weil sie selbst Modell dafür gestanden hat!«
    Anklagend zeigte er mit der ausgestreckten Hand zur Fensterbank.
    »Da, schau dir die Figuren an, eine wie die andere: Diese Nackte da, diese Hure mit dem wollüstigen Blick, das ist niemand anders als deine Ehefrau!«
    Dicht an dicht standen die Figuren die Fensterbank entlang.
In dem roten Licht glühten sie in einem fast fleischlichen Ton. Friederike bemerkte erst jetzt, wie viele es waren - Emanuel musste Caspars ganze Produktion aufgekauft haben. Und genau wie er es ihr vor wenigen Tagen geschildert hatte: Jede der Plastiken zeigte eine Frau, die eine mehr oder weniger sündige Pose eingenommen hatte, und alle diese Frauen trugen unzweifelhaft ihre Gesichtszüge.
    Wie gelähmt verharrte sie an ihrem Platz, unfähig, ein Wort herauszubringen oder irgendeine Regung zu tun.
    »Und weißt du was, lieber Carl?«, führte Emanuel seine Anklage fort, mit heiserer Stimme, aber noch immer deutlich genug, um jedes seiner Worte im ganzen Zimmer hörbar zu machen.
    »Dieser Meißener Erotikexperte ist beileibe nicht der einzige Freier deiner Gattin: Sogar mit einem Italiener hat sie es getrieben! Und treibt es noch immer - wie man an den Episteln sieht, die dieser Papist ihr schickt!«
    Noch immer schweigend nahm Carl die Figur, die ihm am nächsten stand, vom Fensterbrett. Im Raum war es so still, als hätten sämtliche Anwesenden auf Kommando den Atem angehalten. Er hielt die Porzellanfrau ein wenig in die Höhe, um sie besser anschauen zu können. Die eine Hand auf ihre Scham gepresst und mit der anderen ihre Brust wie eine reife Frucht darbietend, sah sie ihren Betrachter ernst und ein wenig spöttisch an.
    »Ich habe dich geliebt, weißt du das?«, sprach Carl leise zu der Figur. »Vielleicht habe ich es dir nicht oft genug gezeigt, aber ich habe dich geliebt. Weil du so anders warst als alle anderen.«
    Sein Blick wanderte von der Porzellanfrau zu Friederike, die keine zwei Schritte von ihm entfernt stand, noch immer vollkommen reglos. Schemenhaft nahm sie ihre Schwiegermutter und Luise wahr: Beide hatten in fast identischer Haltung entsetzt die Hand vor den Mund geschlagen.
    »Du hast mich reingelegt, Friederike«, sagte Carl nun an sie
gewandt. Seine Stimme klang bedrückt. »Wahrscheinlich muss ich meinem Bruder sogar dankbar sein, dass er mir die Augen geöffnet hat. Wenn auch in einem denkbar ungünstigen Moment …«
    Müde blickte er von ihr zu Emanuel, der ihr mit einem Mal einen ähnlich gebrochenen Eindruck machte wie damals im Kontor. Als würde die Situation ihn hoffnungslos überfordern.
    Doch sie verspürte kein Mitleid mehr mit dem Mann, der gerade ihr Leben zerstört hatte.
    »Und nun geh, Friederike!«, hörte sie Carl wie durch einen Schleier sagen. »Bitte geh! Ich kann deinen Anblick nicht mehr ertragen.«
    Er hatte kaum das letzte Wort ausgesprochen, da hatte er ihr bereits den Rücken zugedreht.
    Die kleine weiße Porzellanfigur hatte er achtlos auf dem nächstgelegenen Tischchen abgestellt.

11. KAPITEL
    E in Wiehern schreckte Friederike aus dem Schlaf. Carl, das musste Carl sein!, durchzuckte es sie. Sie schauderte vor Kälte in dem dünnen Abendkleid. Längst schon war das Feuer

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