Schwach vor Sehnsucht
1. KAPITEL
“Wir sind wirklich daran interessiert, eine Serie dieser Bücher herauszubringen”, sagte der Mann, der Joanna an seinem Schreibtisch gegenübersaß. “Wenn Sie noch andere schreiben können, die ebenso gut sind wie das Erste.”
Joanna zuckte mit den Schultern. “Ich bin mir nicht sicher, ob ich es kann.”
Das selbstbewusste Lächeln sollte wohl heißen, dass er es gewohnt war, mit launischen Autoren umzugehe n, und dass normalerweise er der Sieger war. Der Mann mittleren Alters gab sich freundlich, aber der kühle Blick und das energische Auftreten verrieten ihr, dass er ein harter Geschäftsmann sein konnte.
Joanna war zum ersten Mal bei einem Verleger. Sie hatte sich ein steriles weißes und chromf arbenes Büro vorgestellt und war stattdessen in ein unordentliches, voll gestopftes Zimmer gekommen. Der Schreibtisch war übersät mit Manuskripten und Büchern. Als sie schriftlich zu dem Gespräch mit James Colnbrook aufgefordert worden war, hatte sie sich gedacht, dass das vor mehreren Monaten an ihn geschickte Kinderbuch über einen verspielten Boxer namens Billy Anklang gefunden hätte. Aber eine Serie war möglicherweise völlig ausgeschlossen.
“Ich weiß nicht, ob ich die Zeit haben werde, mehr Bücher zu schreiben”, sagte Joanna ruhig.
“Allein an diesem habe ich Monate gearbeitet.”
“Und manchmal dauert es Jahre, auch wenn man alle Zeit der Welt hat.” James Colnbrook nahm ihren Einwand offensichtlich nicht ernst. “Ich bin davon überzeugt, dass Sie es können, Miss Radcliffe.”
“Mrs.”, verbesserte sie kurz angebunden und sah dem Mann an, dass er die Situation neu abschätzte. Sie wusste, dass sie mit ihren blonden Locken, dem elfenhaft hübschen Gesicht und der zierlichen Figur zu jung wirkte, um für eine verheiratete Frau gehalten zu werden.
Nicht einmal der gut sitzende schwarze Rock und die schwarze Seidenbluse verliehen ihr die Reife, die von einer verheirateten Frau erwartet wurde. Aber sie war eine. Mit dreiundzwanzig war sie in einer Ehe gefangen, die ihr nichts bedeutete. Und ihrem Mann zweifellos auch nicht.
“Tut mir Leid, das wusste ich nicht.” James Colnbrook lächelte wieder. Gerade hatte er den mit Diamanten verzierten Trauring bemerkt und richtig erkannt, dass er ein kleines Vermögen gekostet hatte.
Joanna zuckte mit den Schultern. “Ist das wichtig?”
“Nein. Natürlich nicht”, erwiderte der Verleger gelassen. Als Joanna Radcliffe vor einer halben Stunde in sein Büro gekommen war, hatte er sie für eine Karrierefrau gehalten. Sie besaß Stil und Eleganz. Chefsekretärin oder vielleicht selbst leitende Angestellte, hatte er gedacht. Jetzt, da sie erwähnt hatte, dass sie verheiratet war, sah sie plötzlich verletzlich aus.
Ihr Blick war kühl und unnahbar geworden. Und James Colnbrook fiel auf, dass das Leben schon Spuren in ihrem schönen jungen Gesicht hinterlassen hatte. Joanna Radcliffe hatte tiefes Leid erfahren, und wenn sie es auch überstanden hatte, so war sie doch davon gezeichnet. “Ist Ihr Mann dagegen, dass Sie arbeiten?” James Colnbrook lachte gequält. Er hatte Mitleid mit einer Frau, die er kaum kannte, und da sein Ruf als einer der härtesten Mistkerle im Verlagswesen nicht unverdient war, weckte so ein seltsam fremdes Gefühl Unbehagen in ihm. “Manche Männer müssen ihr Image als Macho schützen.”
“Joshua braucht sich um sein Image keine Sorgen zu machen”, erwiderte Joanna kühl. “Es ist völlig intakt.”
Joshua Radcliffe … Der Name war ihm ein Begriff. Aber er war sicher, dass er den Mann nicht persönlich kannte. “Ihn wird es also nicht stören, wenn Sie mehrere Stunden täglich arbeiten?” fragte er geistesabwesend. Er zerbrach sich noch immer den Kopf darüber, wo er den Namen schon gehört hatte. Es war erst vor kurzem gewesen.
“Als ich gesagt habe, ich würde nicht wissen, ob ich Zeit habe, weitere Bücher zu schreiben, habe ich nicht gemeint, dass Joshua etwas dagegen haben würde. Ich verstehe wirklich nicht, was nieine Ehe damit zu tun hat, Mr. Colnbrook. Entweder Sie wollen das Buch herausbringen oder nicht.”
“Oh, das wollen wir”, sagte er schnell. Dann verfluchte er sich, weil er zu viel verraten hatte.
Die übermütigen Streiche eines verrückten Hundes waren ein passender Stoff für ein Kinderbuch, und es würde sich wahrscheinlich gut verkaufen. Aber er musste zugeben, dass ihn Joanna Radcliffe mehr interessierte. Mehr als jede andere Frau, die er jemals kennen gelernt
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