Die Porzellanmalerin
müssen das Dach einreißen!«
»Ist mir egal, ich will zu meinem Pferd!«
Wild um sich schlagend wollte Friederike die beiden Männer von sich abschütteln.
»Hören Sie auf!«, brüllte der Mann sie an. »Sie behindern nur die Löscharbeiten, wenn Sie sich hier so aufführen! Ihrem Pferd können Sie eh nicht mehr helfen. Lassen Sie sich lieber einen Eimer geben, und packen Sie mit an, damit wir das Feuer in den Griff kriegen!«
Ohne ihre Reaktion abzuwarten, wandte der Mann sich von ihr ab, um weiter Kommandos zu erteilen.
Michael klopfte ihr tröstend auf den Rücken.
»Na, na«, stammelte er unbeholfen. Dann hatte auch er sich wieder unter die Helfer gemischt.
Friederike ließ zu, dass eine junge Frau sie in ein Haus am Anfang der Gasse führte. Dort saßen bereits einige ebenfalls obdachlos gewordene Bewohner des »Ankers« - alles Frauen oder Greise, wie sie mit einem Blick feststellte - bei einer Tasse Tee und warteten schweigend. Immer wieder wachte eines der Kinder ihrer Gastgeberin von dem Geschrei draußen auf.
Friederike stützte den Kopf in die Hände. Nicht nur, dass sie den anderen Männern nicht beim Löschen half, nein, sie musste auch noch wie ein Marktweib Rotz und Wasser heulen. Ein toller Held, dieser Friedrich Christian Rütgers! Mit der Hand klopfte sie die Taschen ihres Rocks ab, um nach einem ihrer eigens von Toussaint & Fuchs gefertigten Batisttücher zu suchen. Ein Schluchzen entfuhr ihrer Kehle. Wenn sie doch nur ihre Gefühle besser unter Kontrolle hätte! Der arme Tamerlano! Wie könnte sie sich je verzeihen, ihren treuesten Gefährten im Stich gelassen zu haben?
Plötzlich wurde die Haustür aufgerissen. Aufgeregte Stimmen erfüllten den Flur.
»Wir müssen hier raus!«, rief die junge Frau den Wartenden zu. »Das Feuer greift über. Gehen Sie zum Stall und holen Sie die Kühe raus!«, ergänzte sie an Friederike gewandt.
Sie rannte die Treppe zum ersten Stock hinauf, um ihre Kinder in Sicherheit zu bringen.
Wie mechanisch lief Friederike zur Hoftür hinaus. Was gingen sie diese Kühe an? Warum sollten sie leben, nachdem Tamerlano so jämmerlich verendet war? Sie hatte keine Ahnung von Kühen, sie wusste nur, dass Kühe groß waren und man sie nicht einfach hinter sich her ziehen oder tragen konnte.
Die Kälte drang ihr durch Mark und Bein. Immerhin war der Hof bis auf einen großen Haufen an der hinteren Mauer von Schnee befreit. Ihr neuer warmer Umhang fiel ihr ein. Der war jetzt sicher auch verbrannt. So wie Tamerlano. Nein, sie durfte jetzt nicht an ihr treues Pferd denken. Sie musste sich um die Kühe kümmern. Wahrscheinlich lebten die junge Frau und ihre Kinder von deren Milch und Fleisch.
Sie stellte die Kerze, die sie aus der Stube mitgenommen hatte, auf dem Boden ab und schob den schweren Riegel der Stalltür zurück. Die Kühe brüllten vor Angst. Durch den Feuerschein, der mittlerweile die ganze Nachbarschaft erhellte, war das Innere der Baracke gut ausgeleuchtet. Das Erste, was sie erblickte, war ein riesiger Bulle mit gefährlichen Hörnern, der sie herausfordernd anstierte. Sie unterdrückte ihre aufsteigende Angst und sah sich nach etwas um, mit dem sie das schwere Tier aus dem Stall hinausbugsieren konnte. Aber der Bulle wusste anscheinend, was eine offene Stalltür ihm signalisieren sollte, und so setzte er sich ganz von allein in Gang. Rasch entriegelte sie die anderen Stalltüren, sodass auch die restlichen Kühe laut muhend ins Freie drängten.
Am Hoftor stand ungeduldig wartend die Hausbesitzerin, auf jedem Arm ein Kind, und trieb die Kühe mit kehligen Lauten
weg von der Feuerfront. Friederike, die fast über ein aufgeregtes Huhn gestolpert wäre, schnappte sich das zappelnde Federvieh und lief hinter der Frau her. Immer wieder hackte das Huhn mit dem Schnabel nach ihr und krallte sich in ihrem Arm fest, doch sie unterdrückte den Schmerz. Diese Leute würden noch viel mehr verlieren als sie, wenn ihr Haus und damit ihr ganzes Hab und Gut in den Flammen aufging, versuchte sie sich einzureden. Doch dann dachte sie wieder an Tamerlano, und alles Elend der Welt erschien ihr ein Nichts gegen ihren Verlust.
Die Uhr am Rathaus hatte bereits zwölf geschlagen und das Glockenspiel zu einem heiteren Menuett angesetzt, als Friederike am nächsten Tag in die Manufaktur kam. Er musste ihre Schritte im Flur gehört haben, denn kaum hatte sie den Raum betreten, drehte Monsieur Merckx sich auch schon zu ihr um.
»Das ist ungeheuerlich!«, brüllte er mit
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