Die Porzellanmalerin
sie sich, sie konnte nur wenige Stunden geschlafen haben. Bei diesem hellen Licht musste es sich also um Feuerschein handeln. Mit zwei Sätzen war sie bei der Tür. Behutsam drückte sie die Klinke nieder. Qualm schlug ihr entgegen. Hustend schlug sie die Tür wieder zu. Sie hatte das Feuer weder sehen noch hören können, aber das gesamte Treppenhaus war mit dichten Rauchschwaden erfüllt.
Panik stieg in ihr auf. Sie war eingesperrt in dieser Dachkammer, sie würde bei lebendigem Leib entweder verbrennen oder ersticken. Wie sollte sie ins Freie gelangen? Sie konnte ja schlecht aus dem Fenster springen. Wenn sie überhaupt durch die enge Luke passte, dann hätte sie noch immer eine Höhe von mindestens acht Schritt zu bewältigen.
Hastig schlüpfte sie in Jacke und Hose. Von draußen ertönten die Schreie immer drängender. Die Hitze in der kleinen Kammer nahm zu. Schon drang der Rauch unter der Türritze hindurch. Ohne länger zu überlegen, schob Friederike den Schemel vors Fenster und versuchte die Luke zu öffnen. Das Holz des Rahmens musste sich verzogen haben, denn die untere Scheibe ließ sich nicht vor die obere schieben. Kurz entschlossen wickelte sie sich ihr Brusttuch, das anzulegen sie in der Eile verzichtet hatte, um die rechte Faust und zerschmetterte das Glas. Sofort schlug ihr auch von draußen dichter Qualm entgegen, der in schwarzen Wolken unten aus der Haustür quoll. Er versperrte ihr fast die Sicht auf die Helfer unten auf der Straße. Ohne mehr die Hand vor Augen zu sehen, schlängelte sie sich mit den Beinen zuerst aus dem engen Fenster. Die Füße auf die Regenrinne gestützt, lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die Dachschindeln und hielt sich nur noch mit beiden Händen an der Fensterbank fest. Die Reste des zerbrochenen Fensterglases schnitten in ihre Finger.
»Spring!«, hörte sie eine heisere Männerstimme von unten rufen.
Friederike zögerte. Ob es nicht doch besser war, wenn sie auf die andere Seite des Dachfirstes kletterte und versuchte, von dort auf den Pferdestall zu gelangen? Immerhin wären es dann nur noch etwa sieben Schritt, die sie zu überwinden hätte.
»Spring!«, erklang es noch einmal. »Du hast keine andere Chance!«
Mit letzter Kraft stieß Friederike sich mit den Füßen von der Regenrinne ab und ließ sich ins Ungewisse fallen.
Ein Schneehaufen! Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, dass sie aus dem Fenster gesprungen war. Ob sie ohnmächtig gewesen war? Zitternd rappelte sie sich auf. Der heftige Aufprall hatte ihrem Knie endgültig den Rest gegeben, dennoch schien der Sprung ihrem Körper wundersamerweise keinen größeren Schaden zugefügt zu haben. Schwer stützte sie sich auf die beiden herbeigeeilten Helfer, die sie mit vereinten Kräften von dem brennenden Haus wegschleiften.
Jemand legte ihr einen Mantel über die Schultern und reichte ihr ein Glas Wasser, das sie in gierigen Schlucken leerte. Allmählich beruhigte sich ihr Husten. Auch das Zittern nahm ab. Nur ihr Knie schmerzte weiterhin, als würde es von Tausenden von Nadeln durchbohrt. Von der anderen Straßenseite aus konnte sie sehen, wie der Dachstuhl langsam in sich zusammenbrach. Lodernde Flammen, die aus der neu geschaffenen Öffnung leckten, hoben sich gegen den dunklen Nachthimmel ab. Keine Sekunde zu früh, dachte sie. Was für ein Glück sie gehabt hatte! Wieder einmal!
Plötzlich drang ein Wiehern an ihre Ohren.
Tamerlano! Wie konnte sie ihn nur vergessen haben! Er befand sich sicher noch im Stall. Und der lag hinter dem Haus, also jenseits der Feuerfront. Sie musste ihn retten!
Mit einer einzigen Bewegung schüttelte sie den Mantel von ihren Schultern und rannte humpelnd los. Doch sie kam nur ein paar Schritte voran: Jemand hielt sie von hinten fest umfasst. Es war Michael, der eine lange, gebogene Eisenstange in der Hand hielt.
»Friedrich, bist du verrückt geworden? Wo willst du denn hin? Willst du dich umbringen?«
»Ich will zu Tamerlano, meinem Pferd. Ich muss ihn retten!«
Keuchend versuchte sie sich aus der Umklammerung des Schreinergesellen zu befreien. Es war ihr egal, dass sie sich höchstwahrscheinlich schwerste Verbrennungen zuziehen würde, wenn sie sich erneut der Feuersbrunst näherte. Sie musste zu
ihrem Pferd, das sie die ganze Zeit so treu begleitet hatte und nun in seinem brennenden Stall dem sicheren Tod entgegensah.
Ein Mann in Uniform kam auf sie zu. Auch er hielt eine Eisenstange in der Hand. Mit der anderen packte er sie am Arm.
»Gehen Sie da weg! Wir
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