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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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gerötetem Gesicht. » Vous trouvez ça normal? Macht man das bei Ihnen in Meißen etwa so? Mittags erst zur Arbeit gehen? Was bilden Sie sich ein? Nur weil Sie aus Meißen kommen, denken Sie, dass Sie hier machen können, was Sie wollen?«
    Mit stolzgeblähter Brust fügte er hinzu:
    »Unsere Fabrique ist die älteste Fayencemanufaktur im ganzen Reich. Sie brauchen sich auf Ihr Meißen gar nichts einzubilden!«
    Sie fühlte die Blicke sämtlicher Kollegen auf sich gerichtet. Der kleine Pierre, der einen mit hebräischen Inschriften verzierten Krug in der Hand hielt, lächelte sie entschuldigend an, als wollte er den Zornesausbruch des Obermalers irgendwie abmildern.
    Dieser hielt sich theatralisch die Nase zu:
    »Und wie Sie stinken!«, rief er angeekelt. » C’est vraiment dégôutant ça! Aber so geht es wohl zu bei Ihnen in Sachsen. Das hört
man ja immer wieder, dass die Leute dort gern bis in die Morgenstunden feiern und es mit allem nicht so genau nehmen!«
    Mijnheer van Alphen war durch den Lärm herbeigerufen worden. Wie angewurzelt blieb er vor Friederike stehen und starrte sie an. Sein Blick glitt über ihre Stiefel, an denen noch der Stallmist klebte, ihre zerrissene Hose und die rußgeschwärzte Jacke. Ein weißlich-gelber Fleck mit schwarzen Einsprengseln, den das verängstigte Huhn dort hinterlassen hatte, zierte ihren Ärmel.
    »Das Haus ist abgebrannt«, brachte sie endlich hervor. Mit der Hand rieb sie sich über die Augen.
    » Mon Dieu! «, entfuhr es dem Obermaler. »Das war bei Ihnen?«
    Binnen Sekunden hatte sich sein Zorn gelegt. Mitleid machte sich in seinem Gesicht breit.
    »Mein Pferd ist verbrannt.«
    Sie musste sich zusammenreißen - sie durfte auf keinen Fall in Tränen ausbrechen.
    »Wie entsetzlich!«, bemerkte der Manufakturdirektor und fügte nach kurzem Nachdenken hinzu: »Sie kommen jetzt erst mal mit zu mir nach Hause. Wir werden schon was für Sie zum Anziehen finden. So können Sie jedenfalls nicht weiter rumlaufen. Wir gehen gleich los; ich war sowieso gerade auf dem Weg zum Mittagessen.«
     
    D as Haus der van Alphens lag an dem riesigen rechteckigen Rathausplatz der Hanauer Neustadt.
    »Meine Familie stammt aus Antwerpen. Da gibt es auch so einen großen Rathausplatz«, erklärte der Manufakturbesitzer, während sie die mächtige Eingangstreppe mit dem schmiedeeisernen Geländer hochstiegen.
    Schon im Hausflur war es angenehm warm. Friedrike wurde in ein prächtig ausgestattetes Esszimmer geführt, wo Madame van Alphen sie herzlich begrüßte.
    »Ihr armes Pferd!«, sagte die dralle, sommersprossige Dame voller Mitgefühl, nachdem Friederike in allen Einzelheiten von
dem Brand berichtet hatte. Dass auch die alte Wirtin samt ihrer Magd sowie einige Gäste in den Flammen umgekommen waren, schien die Hausherrin nicht weiter zu bekümmern. Sie schickte das Dienstmädchen, für Friederike ein heißes Bad herzurichten, und ging selbst nach oben ins Zimmer ihres Sohnes, um einige passende Kleidungsstücke für sie herauszusuchen.
    »Es sind natürlich nur alte Sachen, lieber Herr Rütgers. Laurent ist zum Studium in Paris und hat alles mitgenommen, was gut und teuer ist. Aber wir werden schon was für Sie finden, das nicht allzu sehr aus der Mode gekommen ist.«
    Ein Diener nahm ihr die verdreckte Jacke ab und stellte ein Paar Hausschuhe für sie bereit. Die Pantoffeln waren ihr viel zu groß, Laurent musste riesige Füße haben, aber Friederike ließ sich nichts anmerken, um keine Aufmerksamkeit auf ihre für einen Mann ungewöhnliche Zierlichkeit zu lenken. Sie genoss einfach die Wärme und die Herzlichkeit, mit der man sich um sie kümmerte.
    Die Köchin begann sofort aufzutragen, als sie sauber gebadet und gekleidet wieder zu ihren Gastgebern stieß. Drei kichernde pausbäckige Mädchen im Alter ihrer Cousine Sophie, die Drillingstöchter der van Alphens, hatten sich ebenfalls um den Tisch versammelt. Kaum waren alle Teller mit den dampfenden wohlriechenden Speisen gefüllt, fasste die Familie sich bei den Händen, senkte die Köpfe, und Mijnheer van Alphen sprach ein Tischgebet.
    »Komm, Herr Jesu, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast. Amen.«
    Friederike machte einfach alles nach. Die Familie Simons hatte ein sehr distanziertes Verhältnis zu Gott, nie hatten sie zu Hause gebetet. Ihr Vater hielt die Institution Kirche für hoffnungslos rückständig, und ihre Mutter interessierte sich einfach nicht für religiöse Angelegenheiten. Natürlich hatten sie das nie

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