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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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vorbei. Doch als sie den Mann endlich eingeholt hatte, musste sie feststellen, dass er keinerlei Ähnlichkeit mit dem Italiener aufwies.

    »Entschuldigen Sie, Monsieur! Ich habe Sie verwechselt«, stammelte sie.
    Wie hatte sie diesen bäuerlich gekleideten Mann bloß mit Giovanni verwechseln können? Sie musste sich beherrschen, um nicht in Tränen auszubrechen, so abgrundtief war ihre Enttäuschung, als sie sich weiter durch das Schneegestöber vorankämpfte.
    Durch das offene Hoftor des »Ankers« sah sie schon von Weitem, dass die Wirtin und die Magd sich an der Pumpe zu schaffen machten. Um sie herum standen Eimer und Schüsseln.
    »Die Pumpe ist eingefroren«, keuchte die Wirtin und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Schwer atmend stützte sie sich auf den Pumpschwengel.
    »Und auf den Brunnen am Rathausplatz kann man sich genauso wenig verlassen«, fügte die Magd anklagend hinzu. Auch ihr tropfte der Schweiß von der Stirn.
    Ein Wiehern ertönte aus dem Stall, das Friederike wie eine Begrüßung erschien. Tamerlano!
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht hinkte sie auf den kleinen Anbau zu, aus dem das Wiehern gekommen war, und schlang die Arme um den warmen Hals des Tieres.

    »Sie können sofort hier anfangen, Mijnheer.« Henrich van Alphens Deutsch klang hart und ungelenk. Er sprach mit einem starken Akzent. »Einer unserer Maler liegt im Spital.«
    Erwartungsvoll blickte er sie an.
    Die Manufaktur war in einem prächtigen Haus in der Nähe des Marktplatzes untergebracht. Die Sonne schien hell in das Kontor herein. Friederike, die direkt neben dem Fenster saß, konnte beobachten, wie ein paar Männer versuchten, den gefrorenen Schnee auf dem Platz mit Hacken und Schaufeln zu beseitigen. Immer wieder rutschten Menschen und Tiere auf der eisigen Oberfläche aus.

    Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte sie. Ohne länger nachzudenken oder gar eine Erhöhung des angebotenen Lohns zu verlangen - ein glatter Rückschritt im Verhältnis zu den Meißener Salären, aber sie fühlte sich einfach nicht in der Lage zu feilschen -, nahm sie das Angebot an, das der Besitzer der Hanauer Fayencefabrik ihr unterbreitet hatte. Ihr kam es so vor, als wäre ihr ein zweites Mal das Leben gerettet worden, nur war sie diesmal dem sicheren Hunger- oder vielmehr Kältetod entgangen. Sie hatte niemanden, den sie um Hilfe bitten konnte, jetzt, da sie ohne Geld in der fremden Stadt festsaß und weder Giovanni noch Richard Hollweg zur Stelle waren, um ihr unter die Arme zu greifen. Ihre neuen Freunde, die drei Handwerksburschen, hatten sich natürlich nicht mehr im Gasthof blicken lassen, um ihre Schulden bei ihr zu begleichen und ihr noch ein wenig Gesellschaft zu leisten. Sie hätte sich eigentlich denken können, dass auf sie kein Verlass war, allen voran auf den windigen Michael. In ihrem ganzen Leben war Friederike immer mit allem Nötigen versorgt worden - und weit mehr als das, wenn sie ehrlich war. Nun war sie ganz auf sich allein gestellt. Aber ich habe es geschafft, dachte sie stolz, ich habe Arbeit gefunden, kann mein eigenes Geld verdienen.
    »Sie malen heute probeweise. Ab morgen bekommen Sie dann Ihr Geld.«
    Der Holländer war stämmig und hatte enorm kräftige Waden. Solche Waden hatte Friederike noch nie gesehen. Sie steckten in feinen weißen Seidenstrümpfen und liefen in zierlichen Knöcheln aus. Derbe Schnallenschuhe steckten an den für einen Mann viel zu kleinen Füßen.
    Henrich van Alphen war ihrem Blick gefolgt.
    »Wir haben hier in Hanau die besten Strumpfwirker in der ganzen Landgrafschaft. Sie sollten sich auch neu einkleiden«, ergänzte er und deutete missbilligend auf ihre zerrissene, von Schmutz überzogene Kleidung. »Unser Schneider macht Ihnen auch was Modischeres als das da.«

    Kopfschüttelnd betrachtete er Georgs alte Jacke.
    »Gehen Sie gleich heute Nachmittag zu Toussaint & Fuchs und lassen Sie sich etwas Neues anpassen. Nach so einer langen Reise, wie Sie sie hinter sich haben, muss man sich einfach neu einkleiden!«
    Als wollte er seinen Worten die Strenge nehmen, breitete er schließlich mit einem entwaffnenden Lächeln die Arme aus.
    »Willkommen in Hanau, Mijnheer Rütgers! Und jetzt zeige ich Ihnen die Manufaktur.«
    Er legte ihr die Hand auf den Rücken und steuerte sie sanft in Richtung Tür. Im Nebenraum standen etwa fünf Maler an langen Tischen. Eine Ladung derber Wappenkrüge aus Steingut stapelte sich in einem Regal direkt am Eingang. Die Krüge sahen so aus, als hätten sie

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