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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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existierte, und er hatte sich als Apologet und Historiker einen Namen gemacht. Er war vermutlich zehn Jahre jünger als ich.
    »Meine Herrin ist Hitze nicht gewohnt«, sagte Cunoarda. »Ich hoffe, sie wird nicht so lange in der Wildnis verbringen müssen.«
    Eusebius räusperte sich. »Augusta, darf ich offen sein?« Mit einer einladenden Geste erteilte ich ihm die Erlaubnis und hob fragend eine Augenbraue. Er fuhr fort: »Wenn ich es hätte entscheiden können, dann hättest du die Reise gar nicht antreten müssen. Die Stätten zu identifizieren, die mit unserem Herrn in Verbindung gebracht werden, kann dem Glauben nützlich sein, doch wenn wir Pilgerstätten aus ihnen machen, als wären sie an sich heilig, begehen wir denselben Irrtum wie die Heiden und die Juden. Moses' Religion gründete sich auf die Heilige Stadt, doch selbst der Name Hierosolyma ist verloren gegangen. Ohne den Tempel muss ihre Religion sterben. In Aelia Capitolina leben heute keine Juden mehr.«
    Verwundert zog ich eine Augenbraue in die Höhe. In jeder größeren Stadt des Imperiums gab es Juden. Diejenigen, die ich in Londinium kennen gelernt hatte, lebten offenbar im Wohlstand. Hadrian mochte Judäa zwar neu erfunden und in Palästina umgewandelt haben, doch hatten die Juden ihre Religion allem Anschein nach auch neu erfunden. Diese Gedanken behielt ich wohlweislich für mich.
    »Aber es gibt Christen…«, äußerte ich stattdessen leise. Sylvester hatte es sich nicht nehmen lassen, mich über die Rivalität zwischen Eusebius und Bischof Macarius in Aelia Capitolina zu unterrichten.
    Er zuckte mit den Schultern. »Eine kleine Gemeinde. Und die Lage einiger Stätten, die mit der Menschwerdung Christi in Verbindung gebracht werden, ist bekannt. Da der Kaiser es befohlen hat, werde ich mich glücklich schätzen, dich dorthin zu begleiten.«
    »Wir alle müssen dem Kaiser gehorchen«, stimmte ich ihm verbindlich zu.

    Zwei Tage später brachen wir auf, folgten der Via Maris über die Sharon-Küstenebene in leichten Etappen nach Süden. Ich hatte eine Sänfte mit zwei Gruppen ausgebildeter Träger, während Cunoarda, Martha und Eusebius auf Maultieren ritten. Durch die hauchzarten Vorhänge sah ich das Sonnenlicht auf den Helmen meiner Eskorte blitzen. Die Männer sollten mich und die Truhen voller Münzen bewachen, mit denen ich im Namen des Kaisers den Bau von Kirchen finanzieren sollte an den Stätten, die ich für würdig befand. Hinter mir hallte der rhythmische Marschtritt der Nachhut.
    In Rom war ich dem Tode nahe gewesen, und als ich zu dieser Reise aufbrach, die der Kaiser mir aufgezwungen hatte, hoffte ich, die Anstrengungen würden mich von meinen Schmerzen erlösen. Und so geschah es auch, doch anders, als ich gedacht hatte. Statt zu sterben, sog ich mit jedem Atemzug in dieser warmen, salzhaltigen Luft das Leben in mich ein. War Palästina wirklich ein Heiliges Land, oder lag es nur daran, dass ich endlich wieder auf den Pfad meiner Bestimmung zurückkehrte?
    Die Straße führte durch offenen Mischwald aus Schirmbäumen, Eichen und Haselnussbäumen. Von Tag zu Tag wurden die Berge zu unserer Linken höher und zerklüfteter, bedeckt mit grau-grünem Gebüsch und letzten Resten goldenen Grases. Eine leichte Brise vom Meer milderte die Hitze. Im Landesinnern fand man Gerstenfelder und Lehmhütten, in den Gärten wurden Granatäpfel, Feigen und Wein angebaut.
    Nachts schlief ich auf einem gut gepolsterten Faltbett in einem Zelt aus gelber Seide. Warme Decken schützten mich vor der feuchten Kälte, wenn die Nacht die Feuchtigkeit in der Luft freisetzte. Martha oder Cunoarda lag auf einem Feldbett vor der Tür. In diesem Land, das ihrer Heimat so nah war, blühte Martha wie eine Blume auf. Cunoardas helle Haut jedoch verbrannte, und sie pellte sich, ohne zu klagen. Je mehr Zeit ich in der Gesellschaft des Bischofs verbrachte, umso deutlicher wurde mir, dass Eusebius ein komplizierter Mann war. Er hatte die Verfolgungen überstanden und weder seinen Ruf noch sein Leben eingebüßt, und es war ihm gelungen, im Kirchenstreit um Arius nicht zu den Verlierern zu zählen. Nun stand er vor einer noch größeren Herausforderung.
    Die Christen im Westen hatten beinahe zwanzig Jahre gebraucht, bis sie gelernt hatten, wie sie sich Konstantins Begeisterung zunutze machen konnten; im Osten hatte Licinius ihnen zwar bereits Toleranz zugesagt, aber erst in den vergangenen zwei Jahren erfuhren sie, dass Versuchung auch durch Privilegien entstehen

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