Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
umarmen. Sein heiteres Lächeln ließ ein wenig nach, als er meinem Blick begegnete. Er begnügte sich damit, nur meine ausgestreckte Hand zu küssen.
    »Du bist noch immer verärgert«, stellte Sylvester fest, nachdem der Kaiser gegangen war, »und du hast allen Grund dazu. Trotzdem bitte ich dich, diese Reise anzutreten.«
    »Warum?«, krächzte ich. »Welches Interesse könnte ich daran haben, die heiligen Stätten einer Religion aufzusuchen, deren Beschützer verantwortlich ist für Taten, wie Konstantin sie begangen hat?«
    »Unser Herr hat getrauert, so wie du trauerst, als ER sah, was die Menschen SEINEM Sohn angetan hatten, doch ER hat die Menschheit nicht vernichtet. Wenn du bedenkst, wie weit wir Christen von der Vollkommenheit entfernt sind, spricht es dann nicht für unsere Religion, dass sie überhaupt überlebt hat? Geh nach Palästina, Helena, nicht für den Kaiser, sondern dir zuliebe. In der Wüste spricht Gott deutlich. Wenn diese ganze Tragödie einen Sinn hat, dann wirst du ihn dort vielleicht verstehen.«
    Ich gab ihm eine nichtssagende Antwort, und schon ließ er mich allein. Ich war entschlossen abzuwarten, bis Konstantin Rom verlassen hatte, dann wollte ich ihm meine Absage zukommen lassen, doch in jener Nacht träumte ich, ich stünde in einem verdorrten Land aus goldenem Sand und weißen Steinen an einem blauen Meer. Es war eine Gegend von schrecklicher Schönheit, ein Ort der Macht. Während ich diese ausgebleichte Landschaft betrachtete, wusste ich bereits, dass ich sie schon einmal gesehen hatte.
    Erst als ich in Schweiß gebadet erwachte, wurde mir bewusst, dass ich sie nicht aus diesem Leben kannte, sondern aus der Eingebung, die mir bei meiner Weihe zur Frau in Avalon zuteil geworden war. Da begriff ich, dass mir vielleicht noch etwas zu tun bestimmt war und dass diese Reise ins Gelobte Land dazugehörte.

    Nachdem Konstantin seinen Willen durchgesetzt hatte, scheute er keine Ausgaben für meine Reise nach Cäsarea, den Hafen, den der berüchtigte Herodes zweihundert Jahre zuvor angelegt hatte. Mitte August ging ich mit Cunoarda und Martha an Bord eines Schiffes. Die beiden hatten geschworen, mich nicht zu verlassen, obwohl ich sie längst freigelassen hatte. Gemächlich umschifften wir die Spitze Italiens, kamen an den Küsten Griechenlands vorbei nach Kreta, wo wir frische Nahrungsmittel aufnahmen, um dann direkt Kurs auf die asiatische Küste zu nehmen.
    Als wir Cäsarea anliefen, ging die Sonne hinter uns unter und tauchte den flachen, bebauten Küstenstreifen, der so reich an Obsthainen und Weinbergen war, und das ansteigende Gelände dahinter in goldenes Licht. Auf einer Bergspitze über dem kleinen Hafen ragte die Festung auf, dahinter lag die Stadt, umgeben von einer Stadtmauer. Zwischen den Bäumen im Süden tauchten jedoch noch weitere weiß getünchte Häuser auf, und beim Näherkommen erkannte ich das geschmeidige Halbrund des Amphitheaters, dessen aufsteigende Sitzreihen zum Meer hinblickten.
    Der zweite jüdische Aufstand hatte Hierosolyma in Schutt und Asche gelegt. Nun war Cäsarea die Hauptstadt von Palästina. Hier hatte der Prokurator seinen Palast, und hier hatte auch Eusebius, der höchste Bischof der Provinz, seine Kirche und seinen Sitz. Ich konnte verstehen, warum es den Römern gefiel - das Klima und die Atmosphäre erinnerten mich stark an die Gegend um Baiae.
    Am dritten Tag nach meiner Ankunft, nachdem ich ausreichend geruht hatte, brachten mich meine Sänftenträger vom Palast des Prokurators zu Eusebius, der mich in seinem kleinen Haus in den Olivenhainen über der Stadt zum Essen eingeladen hatte. Der Sommer ging zur Neige, und unsere Liegen standen auf einer Terrasse, von der wir den Sonnenuntergang sahen und auf die Erleichterung warteten, die der plötzliche Temperatursturz am Ende des Tages mit sich brachte.
    »Es ist ein schönes Land«, sagte ich und trank einen Schluck einheimischen Wein.
    »Der Küstenstreifen ist fruchtbar, wenn man ihn pflegt«, antwortete Eusebius, »und ein Teil des Jordantals, sowie die Gegend um den See Tiberias in Galiläa. Das Landesinnere ist trocken. Dort kann man Vieh weiden lassen. Im Süden ist Wüste, die nur für Skorpione geeignet ist.«
    Hier in seinem Haus wirkte er entspannter, doch er war noch immer der dürre, hohlwangige Intellektuelle, den ich in Nicomedia kennen gelernt hatte. Es hieß, die Bibliothek, die er hier angelegt habe, sei besser, vor allem in Bezug auf die Kirche, als alles, was in Rom

Weitere Kostenlose Bücher