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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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befinden sich Höhlen, die als Stall und Lagerraum benutzt werden, weil sie kühl sind. Dort wird auch das Öl aus den Oliven gepresst.«
    »Willst du damit sagen, Jesus kam in einer Höhle zur Welt?«
    »In einer Höhle, die als Stall verwendet wurde. Da ist sie, direkt über uns. Diese Stätte ist schon lange bekannt. Die Tonkrippe steht noch immer dort.«
    Er klang nicht sehr enthusiastisch, doch ich hatte mittlerweile erkannt, dass Eusebius nicht die Stätte an sich wichtig war, sondern vielmehr ihr Wert als historischer Beweis für die Menschwerdung Gottes. Was ihm an Begeisterung fehlte, wurde durch die Dorfbewohner mehr als aufgewogen. Sie drängten sich um uns und erboten sich, uns die heilige Höhle zu zeigen.
    Zu meiner Überraschung war der Weg teilweise durch einen Zedernhain versperrt.
    »Das ist der Hain von Tammuz«, sagte das kleine Mädchen, das mich an die Hand genommen hatte. »Um den trauern die Heiden zur selben Zeit im Frühling, wenn wir um Jesus weinen.«
    Verwundert nahm ich diese schlichte Billigung zur Kenntnis, allerdings hatte Eusebius mich gewarnt, dass Christen auf dem Lande nicht viel besser seien als Heiden. Mir persönlich erschien das gar nicht so schlecht, wenn sie dadurch in Freundschaft nebeneinander leben könnten.
    Nach der Helligkeit des Nachmittags draußen war es in der Höhle sehr dunkel, doch flackerte immerhin eine Öllampe, und als meine Augen sich angepasst hatten, erblickte ich ganz hinten die Krippe, wo die Wände sich schlossen. Ein Blumenstrauß lag darin. Es war sehr still.
    Eusebius war zum Gebet auf die Knie gesunken. Martha kniete neben ihm, doch ich blieb stehen, die Augen geschlossen und die Füße fest auf dem Boden verankert. Die Anspannung, die sich auf mich gelegt hatte, seit ich den Befehl zu dieser Reise erhalten hatte, begann sich zu lösen. Neben dem Geruch nach altem Weihrauch, Lampenöl und Ziegen nahm ich das klare Aroma von feuchtem Stein in mich auf. Stein ist ewig , dachte ich, trat zur Seite und legte meine Hand auf die kühle Oberfläche. In Steinen liegen Erinnerungen .
    Ich versetzte mich in den Fels und suchte nach Eindrücken aus der Vergangenheit. Eine Zeit lang drangen nur die elementaren Bedürfnisse der Tiere auf mich ein, die einst hier untergebracht waren. Dann spürte ich einen Augenblick lang den Schmerz einer Frau, die unendliche Erleichterung der Geburt und das Aufwallen der Verzückung, sobald sie das Kind in den Armen hält. Wer immer Jesus auch war, ich kann glauben, dass er hier geboren wurde , dachte ich.
    Als ich die Augen wieder aufschlug, starrten Martha und das kleine Mädchen nicht auf die Krippe, sondern auf mich. Sie hatten die Augen vor Staunen weit aufgerissen.
    »Ich habe Durst«, sagte ich kurz angebunden. »Gibt es hier Wasser?«
    »Ein Brunnen - zwischen den Bäumen«, flüsterte das Mädchen.
    Es war schon spät am Nachmittag, und das goldene Licht fiel schräg durch den Hain. An einem Baum, dessen Zweige über den kleinen Teich hinausragten, hingen Stoffstreifen und Bänder.
    »So wird es auch in dem Land gemacht, aus dem ich komme.« Ich legte die Hand an den rauen Stamm, schloss die Augen und folgte mit dem Bewusstsein dem Leben des Baumes bis zu seinen Wurzeln, dann wieder hinauf zu den Blättern, die durch die Sonne das Leben in sich aufnahmen.
    Dann spürte ich einen Moment lang nicht den Baum, sondern den Körper einer Frau, die Füße im Boden verankert und die Arme zum Himmel emporgestreckt. Das Bild verwandelte sich in einen Baumstamm, in den das Ebenbild der Göttin geschnitzt war. Mit Blumen bekränzte Frauen wirbelten um ihn herum. »Aschera…«, sangen sie, »Aschera…«
    Das waren die Ascherim, die von den Propheten in den Tempelhöfen umgebracht wurden! , begriff ich voller Erstaunen. Letztere versuchten, die Göttin zu zerstören. Sie wurde noch vor Tammuz in diesem heiligen Hain verehrt!
    Als die Vision nachließ, merkte ich, dass das Mädchen noch immer mit mir redete…
    »Bäume stehen für die Mutter, die Jungfrau, die das Kind der Prophezeiung zur Welt bringt. In Mamre, nicht weit von hier, gibt es eine alte Terebinthe, unter der Abraham von seinen Nachfahren geträumt hat. Die Familie des Königs David ist ein Baum, und Jesus ist ganz oben… Ich hoffe, diese Bäume werden nicht gefällt.«
    »Wenn ich den Befehl erteile, hier eine Kirche zu errichten, werde ich die Architekten bitten, sie zu retten«, erwiderte ich. Eusebius hätte den gemischten Glauben des Mädchens zweifellos

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