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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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missbilligt, aber er passte zu dem Augenblick. Auch die rauschenden Bäume waren auf ihre Weise Zeugen dessen, dass hier die Mutter verehrt worden war.

    Es dunkelte bereits, als wir wieder aufbrachen. Die Dorfbewohner hatten uns gebeten, über Nacht zu bleiben und an ihrer Feier teilzunehmen, doch ich fand eine Reise, an deren Ende mein Bett auf mich wartete, weniger strapaziös als eine Nacht auf einer klumpigen Matratze voller Flöhe. Beim Abstieg über den letzten Berghang hörte ich etwas quieken, woraufhin das Pferd eines Soldaten plötzlich scheute.
    Neben den lauten Flüchen des Zenturios bei dem Versuch, das verschreckte Tier zu beruhigen, vernahm ich leises Wimmern. »Halt«, rief ich. »Da draußen ist etwas.«
    »Ein wildes Tier«, sagte der Kommandant und lockerte seinen Speer. »Aber nach dem Geräusch zu urteilen ist es nicht so groß, dass es uns etwas anhaben könnte.« Er winkte einem Soldaten, ihm mit der Fackel zu folgen.
    »Hört sich an wie ein Hund…« Ich sah dem flackernden Licht am Straßenrand nach.
    »Du hattest Recht, Herrin!«, rief der Kommandant. »Einer dieser wilden Hunde, die durch die Berge streunen. Sein Bein ist gebrochen. Ich werde ihn von seinem Elend erlösen.«
    »Nein, tut ihm nichts!«, schrie ich. »Einer deiner Männer soll ihn in einen Mantel hüllen, damit er nicht beißen kann, und wir nehmen ihn mit in die Stadt.«
    »Augusta, du kannst aus einem wilden Hund kein Schoßtier machen!«, mahnte Eusebius.
    »Willst du der Kaiserinmutter etwa sagen, was sie tun kann und was nicht?«, fragte Cunoarda mit drohendem Unterton.
    Ich achtete nicht auf sie und widmete meine Aufmerksamkeit dem strampelnden roten Wollbündel, aus dem ein goldener, kurzhaariger Kopf mit wilden dunklen Augen auftauchte. Ich redete dem Tier gut zu, bis es sich beruhigte. Erst dann gab ich den Befehl, die Reise fortzusetzen.
    In jener Nacht träumte ich, ich wäre wieder ein Mädchen auf Avalon. Ich beugte mich über die Blutquelle, die einer Spalte am Berghang entspringt, um zu trinken. Im Traum ähnelte die Stelle der Höhle in Bethlehem, und jetzt merkte ich auch, dass die Öffnung dieselbe Form wie die Pforte eines weiblichen Leibes hatte.
    In meinem Traum weinte ich um alles, was ich verloren hatte, bis eine Stimme mir zuflüsterte: » Du bist das Kind der Erde und des Sternenhimmels. Vergiss den Boden nicht, dem du entsprungen bist… « Diese Worte waren mir ein Trost.
    Mein Findelkind war eine noch junge Hündin. Ich nannte sie Leviyah, was auf Hebräisch »Löwin« heißt. Sie biss zwei Soldaten, bevor der Pferdedoktor der Legion ihr das Bein schienen konnte. Nachdem ich sie jedoch in einen kleinen dunklen Raum gebracht hatte, wurde sie ruhiger. Vielleicht hielt sie es für eine Hütte. Danach ließ sie sich von niemandem außer mir etwas zu fressen oder Wasser bringen. Nach und nach verwandelte sich die Panik der Hündin in Billigung, aus Billigung wurde Zutrauen, bis sie mir aus der Hand fraß.
    Anderen gegenüber blieb Leviyah scheu, folgte mir aber von nun an auf den Fersen, versteckte sich unter meinen Röcken, wenn zuviel Unruhe herrschte, und sprang mit gefletschten Zähnen vor, wenn sie das Gefühl hatte, ich sei bedroht. Sie machte einige aus meinem Gefolge nervös, doch wozu war ich Kaiserin, wenn ich mir nicht meine Grillen erlauben konnte?

    Ein paar Wochen danach unternahmen wir einen Ausflug auf den Ölberg, der sich im Osten der Stadt erhob. Mit fortschreitendem Alter wachte ich frühmorgens auf, brauchte aber häufig am Nachmittag ein Nickerchen. Eusebius schlug vor, ich solle frühzeitig aufstehen, um die Sonne über der Stadt aufgehen zu sehen, und ich war einverstanden. Als ich indes in die kühle Dunkelheit der Stunde kurz vor der Morgendämmerung hinaustrat, fragte ich mich, warum ich zugestimmt hatte.
    In meiner Sänfte aber war ich gut eingemummt, und Leviyah an meiner Seite wärmte mir einen Schenkel. Wir zogen durch die stillen Straßen, dann ins Kidron-Tal hinab und über die holprigen Hänge bergauf, vorbei am Garten von Gethsemane, in dem Jesus mit seiner Sterblichkeit haderte und verraten wurde.
    Als wir den Gipfel erreichten, verblassten gerade die Sterne. Die vor uns liegende verschwommene Masse der Stadt nahm Formen und Bedeutung an, als wäre dies der Morgen der Schöpfung und wir Zeugen der Entstehung der Welt. Hierosolyma war vom Charakter her ähnlich wie Rom und bestimmte sich hauptsächlich durch die heiligen Hügel. Ich erblickte den Berg Moria, auf dem

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