Die Priesterin von Avalon
verzeihen.« Bischof Ossius warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, ging an mir vorbei und legte dem Kaiser eine Hand auf den Kopf. »Aber du musst bereuen und Wiedergutmachung geloben.«
»Wenn Fausta dich zu dieser Tat angestiftet hat, musst du sie bestrafen«, sagte ich in gleichem Ton. »Sonst wird Crispus dich ewig heimsuchen, ebenso wie ich!«
»Gott, hast du mich verlassen?«, flüsterte Konstantin. »Vater, vergib mir meine schwerste Sünde…«
»Geh jetzt«, flüsterte der Bischof mir zu und zeigte auf die Tür. »Ich werde mich jetzt seiner annehmen.«
Ich nickte, denn ich zitterte vor Schmerz und hatte nicht den Wunsch, zuzusehen, wie der Meister der römischen Welt vor seinem Gott am Boden kroch.
Den restlichen Tag verbrachte ich in einem verdunkelten Zimmer und verweigerte die Nahrungsaufnahme. Cunoarda hielt mich für krank, aber wenn es stimmte, dann war es eine Krankheit der Seele. Ich wartete, obwohl ich nicht wusste, worauf, bis ich am späten Nachmittag die Rufe vernahm.
Ich hatte mich bereits aufgerichtet, als Cunoarda in mein Schlafgemach eilte.
»Herrin! Kaiserin Fausta ist tot!«
»Wie ist es passiert?«, fuhr ich sie an. »Hat man sie hingerichtet?« Ich hatte Faustas Bestrafung verlangt, doch ich hatte nicht erwartet, dass Konstantin das eine Verbrechen durch ein anderes wieder gutmachen würde, das kaum weniger schrecklich war.
»Das weiß offenbar niemand«, erwiderte Cunoarda. »Sie war in den neuen Bädern, und Wachen haben sie geholt, um sie zum Kaiser zu bringen, doch noch ehe sie Fausta festnehmen konnten, hörten sie Schreie. Jemand hatte eine Schleuse geöffnet, um das kochend heiße Wasser einzulassen, und Fausta wurde in ihrem Bad verbrüht, sodass sie starb! Sie bringen die Leiche jetzt zurück. Sie muss furchtbar aussehen.« Ihre Stimme bebte vor unterdrückter Schadenfreude.
»Crispus, du bist gerächt!« Ich fiel auf das Bett zurück und fragte mich, warum dieses Wissen mein Elend nur verschlimmerte.
Aus meinem Sohn war ein Ungeheuer geworden, und er war seinen Ängsten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Doch war ich besser, die ihn bedrängt hatte, ein ähnliches Verbrechen zu begehen?
Natürlich gab es Untersuchungen, doch niemand erfuhr, wie der Unfall inszeniert worden war. Obwohl der Kaiser sie strafen wollte, bin ich mir nicht sicher, ob die Art und Weise, wie Fausta ums Leben kam, von Konstantin angeordnet worden war. Crispus war in dieser Stadt sehr beliebt gewesen, wo er so lange regiert hatte, und es mag sein, dass ein Diener in den Bädern, nachdem er von der Verurteilung der Kaiserin erfahren hatte, die Gelegenheit ergriff, ihr einen Vorgeschmack der Hölle zu vermitteln, die sie allemal verdient hatte.
19. Kapitel
A. D. 327-328
»Ich finde, du solltest mit ihm reden«, sagte Bischof Sylvester. »Ich halte den Kaiser für ernsthaft bußfertig, aber seelisch leidet er noch. Es heißt, er habe einen Bildhauer damit beauftragt, ein goldenes Bildnis seines Sohnes anzufertigen, das er in einer Art Andachtsraum aufgestellt hat. Er steht klagend davor. Vielleicht könntest du ihm Erleichterung verschaffen…«
Ich sah ihn verwundert an. Mit Sicherheit war ich die Letzte, die Konstantin jetzt Trost gewähren würde.
»Ich weiß, dass du noch immer trauerst, und vielleicht gibst du dem Kaiser die Schuld für das, was geschehen ist, doch wenn Christus seinen Mördern vergeben konnte, als Er am Kreuz hing, sollten wir dann nicht zu Geringerem imstande sein?«
Es wäre mir leichter gefallen, dachte ich verbittert, wenn mein Sohn sich gegen mich versündigt hätte. Die acht Monate, die nach Faustas Tod vergangen waren, hatte ich in Rom verbracht, doch hatte ich weder in der neuen Kapelle, die in einem meiner Palasträume eingerichtet worden war, noch in der Kirche der heiligen Marcellinus und Petrus einen christlichen Gottesdienst besucht. Auch einen Tempel der alten Religion hatte ich nicht aufgesucht. Man hatte mich der Göttin und Gottes zugleich beraubt. Überhaupt war ich seit meiner Rückkehr kaum vor die Tür gegangen.
Es heißt, die Alten verbringen viel Zeit in ihrer Vergangenheit, als lebten sie ihr Leben noch einmal zurück bis an den Anfang. Gewiss erinnerte ich mich lieber an die Zeiten, in denen Konstantius und ich jung waren, und immer häufiger träumte ich nachts von Avalon. Ich wusste, dass meine Diener meinen nahen Tod befürchteten, und das aus gutem Grund, denn ich war nun siebenundsiebzig, und das Leben hatte seinen Reiz für mich
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