Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
Lorraine hatte mir gehorcht.
Im nächsten Augenblick blickte ich in zwei glutrote Augen, die mich starr ansahen. Hastig senkte ich den Blick. Das Wesen stand auf dem äußeren Fenstersims und sah mich an.
Das Geschöpf war gut sechs Fuß groß; riesige Fühler entsprangen der breiten Stirn. Es trug keine Kleidung; das Fleisch hatte eine einheitliche graue Färbung. Das Wesen schien geschlechtslos zu sein und besaß ledriggraue Flügel, die über eine große Spannweite verfügten und mit der Nacht verschmolzen. In der rechten Hand hielt es ein kurzes Schwert aus dunklem Metall. Die Klinge war mit seltsamen Runenzeichen bedeckt. Mit der linken Hand klammerte sich das Wesen am Fenster fest.
»Betreten auf eigene Gefahr!« sagte ich laut und richtete Grayswandirs Spitze auf die Brust des Wesens.
Das Geschöpf kicherte. Es stand über mir und kicherte und lachte mich an. Es versuchte noch einmal meinen Blick in seinen Bann zu ziehen, doch ich wehrte mich. Wenn es mir eine Zeitlang in die Augen starrte, mußte es mich erkennen, wie es schon der Höllenkatze gelungen war.
Als der nächtliche Besucher das Wort ergriff, hörte es sich an, als spräche er mit Posaunenklängen.
»Du bist nicht der Gesuchte«, sagte das Wesen. »Du bist kleiner und älter. Trotzdem ... die Klinge ... Sie könnte ihm gehören. Wer bist du?«
»Wer bist du?« fragte ich zurück.
»Strygalldwir ist mein Name. Wenn du in diesem Namen fluchst, fresse ich dein Herz und deine Leber.«
»In deinem Namen fluchen? Ich kann ihn ja nicht mal aussprechen«, erwiderte ich, »und meine Leberzirrhose würde dir nur Durchfall verursachen. Verschwinde!«
»Wer bist du?« wiederholte es.
»
Misli, gammi gra´adil, Strygalldwir«,
sagte ich, und das Wesen zuckte wie von einem glühenden Brandeisen getroffen zusammen.
»Mit einem so einfachen Zauberspruch willst du mich vertreiben?« fragte es, als es sich wieder gefangen hatte. »Ich gehöre nicht zu den kleinen Fischen!«
»Trotzdem schien dir eben ein bißchen heiß zu werden.«
»Wer bist du?« fragte es noch einmal.
»Sag mir, was du willst, Bursche. Vögelchen, Vögelchen, flieg zurück nach Hause ...«
»Viermal muß ich dich fragen, viermal mußt du die Antwort verweigern, ehe ich eindringen darf, um dich zu töten. Wer bist du?«
»Nein!« sagte ich und stand auf. »Komm herein und brenne!«
Im nächsten Augenblick riß der Eindringling die Fensterfüllung heraus, und der Wind, der den Angreifer ins Zimmer begleitete, ließ die Kerze verlöschen.
Ich stürzte vor, und Funken sprühten zwischen uns, als Grayswandir auf das dunkle Runenschwert traf. Die Klingen klirrten zusammen, und ich sprang zurück. Meine Augen hatten sich an das Halbdunkel gewöhnt, so daß mich der Lichtverlust nicht blendete. Das unheimliche Geschöpf vermochte ebenfalls gut zu sehen. Es war kräftiger als ein normaler Mensch, aber da das auch auf mich zutraf, machte es mir nichts aus. Wir umkreisten uns in dem engen Zimmer. Ein eiskalter Wind umtoste uns, und als wir wieder am Fenster vorbeikamen, klatschten mir kalte Tropfen ins Gesicht. Als ich das Wesen zum erstenmal verletzte – mit einem langen Schnitt in die Brust –, blieb es stumm, obwohl die Wundränder von winzigen Flammen bekränzt waren. Beim zweiten Stich – in den Oberarm – stieß es einen Schrei aus und begann mich zu verfluchen.
»Heute abend sauge ich dir das Mark aus den Knochen!« sagte es. »Ich werde sie trocknen und voller Raffinesse zu einem Musikinstrument umgestalten! Und jedes-mal, wenn ich darauf spiele, windet sich deine Seele in körperloser Qual!«
»Du brennst recht hübsch«, sagte ich.
Das Wesen stockte einen Sekundenbruchteil lang, und das war meine Chance.
Ich hieb die düstere Klinge zur Seite, und mein Stich ging genau ins Ziel, bohrte sich in die Mitte der Brust. Ich stieß kräftig zu.
Da begann das Wesen aufzuheulen, doch es sank nicht zu Boden. Grayswandir wurde mir aus der Hand gerissen. Flammen zuckten um die Wunde. Das Wesen stand da und stellte das Feuerlodern zur Schau. Es machte einen Schritt auf mich zu, und ich riß einen kleinen Stuhl hoch und hielt ihn zwischen uns.
»Ich habe mein Herz nicht an der Stelle, wo ihr Menschen es vermutet«, sagte das Ungeheuer.
Dann griff es an, doch ich wehrte den Hieb mit dem Stuhl ab und stieß ihm eins der Stuhlbeine in das rechte Auge. Dann warf ich das Möbelstück fort, trat vor, packte das rechte Handgelenk meines Gegners und drehte es herum. So fest ich konnte,
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