Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
zügelnd, den Blick starr auf mich gerichtet, verließ er die Straße und steuerte auf eine Stelle links von mir zu, zog einmal die Zügel an und ließ sie dann los, lenkte das Pferd nur noch mit den Knien. Die linke Hand fuhr in einer grußähnlichen Bewegung an seinem Kopf vorbei nach oben und packte den Griff der Waffe. Sie löste sich geräuschlos und beschrieb einen anmutigen Bogen über ihm, ehe sie in einer tödlichen Position schräg vor seiner linken Schulter zur Ruhe kam – wie ein einzelner Flügel aus mattem Stahl mit einer winzigen Vorderkante, die wie ein Streifen Spiegelglas schimmerte. Sein Anblick brannte sich mit einer gewissen Pracht in meinen Verstand, mit einer Großartigkeit, mit einem Glanz, der irgendwie anrührend war. Die Klinge war eine lange sensenähnliche Waffe, mit der ich ihn schon im Kampf beobachtet hatte. Nur hatten wir damals als Verbündete gegen einen gemeinsamen Gegner gekämpft, den ich für unbesiegbar gehalten hatte. Benedict hatte mir in jener Nacht das Gegenteil bewiesen. Als sich die Waffe nun gegen mich erhob, überfiel mich der Gedanke an meine Sterblichkeit – ein Gedanke, der mich nie zuvor in dieser Weise betroffen hatte. Es war, als sei ein Schutz von der Welt genommen worden, als werfe plötzlich jemand ein grelles Schlaglicht auf den Tod höchstpersönlich.
Der Augenblick war vorbei. Ich wich zwischen die Bäume zurück. Ich hatte mich dort aufgestellt, um die jungen Stämme auszunutzen. Ich wich etwa zehn, zwölf Fuß weit zwischen die Stämme zurück und machte zwei Schritte nach links. Das Pferd stieg im letzten Augenblick auf die Hinterhand und schnaubte und wieherte mit geblähten Nüstern. Dann wandte es sich zur Seite, wobei es große Erd-brocken aufwirbelte. Benedicts Arm bewegte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit, wie die Zunge einer Schildkröte, und seine Klinge fuhr durch einen jungen Baum, dessen Stamm ich auf drei Zoll schätzte. Der Baum blieb noch einen Augenblick lang stehen, ehe er langsam umkippte.
Seine Stiefel prallten auf den Boden, und er schritt auf mich zu. Auch aus diesem Grund hatte ich mir die Baumgruppe ausgesucht – er sollte zu mir kommen müssen aneinen Ort, da eine lange Klinge durch Äste und Stämme behindert werden mußte.
Doch im Voranstürmen schwang er die Waffe geradezu beiläufig hin und her, und ringsum stürzten die Bäume.
Wenn er nur nicht so schrecklich gut gewesen wäre ...! Wenn er nur nicht Benedict gewesen wäre ...!
»Benedict«, sagte ich ganz ruhig. »Sie ist längst erwachsen und kann ihre eigenen Entscheidungen treffen.«
Doch er ließ nicht erkennen, ob er mich gehört hatte. Er schritt weiter und schwang dabei die mächtige Klinge hin und her. Sie sirrte durch die Luft, und immer wieder war ein weicher Laut zu hören, wenn sie einen weiteren Baum durchtrennte und davon nur geringfügig verlangsamt wurde.
Ich hob Grayswandir und richtete es auf seine Brust.
»Nicht weiter, Benedict«, sagte ich. »Ich möchte nicht mit dir kämpfen.«
Er hob die Waffe in Angriffsposition und sagte nur ein Wort: »Mörder!«
Dann zuckte seine Hand vor, und fast gleichzeitig wurde mein Schwert zur Seite geschlagen. Ich parierte den nachfolgenden Stich, und er fegte meine Riposte zur Seite und griff von neuem an.
Diesmal machte ich mir nicht die Mühe einer Riposte. Ich parierte einfach, zog mich zurück und trat hinter einen Baum.
»Ich verstehe das nicht«, sagte ich und schlug seine Klinge nieder, die an dem Stamm entlangglitt und mich beinahe aufgespießt hätte. »Ich habe in letzter Zeit niemanden getötet. Jedenfalls nicht in Avalon.«
Wieder ein dumpfer Laut, und der Baumstamm stürzte auf mich zu. Ich brachte mich in Sicherheit und wich, seine Schläge abwehrend, zurück.
»Mörder!« sagte er wieder.
»Ich verstehe nicht, was das soll, Benedict!«
»Lügner!«
Nun endlich blieb ich stehen und verteidigte meine Position. Verdammt! Es war so sinnlos, für etwas zu sterben, das gar nicht stimmte. Ich ripostierte, so schnell ich konnte, suchte überall nach einer Ansatzmöglichkeit. Doch die gab
es nicht.
»Dann sag´s mir wenigstens!« rief ich. »Bitte!«
Doch er schien nicht mehr reden zu wollen. Er bedrängte mich, und ich mußte erneut zurückweichen. Es war, als versuchte ich mit einem Gletscher zu kämpfen. Mit der Zeitfestigte sich meine Überzeugung, daß er den Verstand verloren hatte – was mir allerdings nicht im geringsten weiterhelfen konnte. Bei jedem anderen hätte der Wahnsinn
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