Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
ungeduldig. »Der Augenblick ist gekommen, die Karten auf den Tisch zu legen. Ich weiß zu schätzen, was Brandon Corey für mich getan hat; der Trick, mit dem wir dich schließlich zurückgeholt haben, war meine Idee.«
Er nickte.
»Ich denke mir aber, daß es gute Gründe gibt für das Aufflackern brüderlicher Gefühle nach so langer Zeit.«
»Und ich nehme an, daß du ebenfalls geheime Gründe hattest, mir zu helfen.«
Wieder lächelte er, hob die rechte Hand und senkte sie.
»Dann sind wir entweder quitt oder stehen nicht mehr in der Schuld des anderen, je nachdem, wie man solche Dinge sieht. Da mir scheint, daß wir uns im Augenblick gegenseitig brauchen, wäre es gut, uns im günstigsten Licht zu sehen.«
»Du redest um den heißen Brei herum, Brand. Du versuchst mich in deinen Bann zu ziehen. Außerdem raubst du meiner idealistischen Tat von heute den Glanz. Du hast mich aus dem Bett geholt, um mir etwas zu sagen. Also tu´s.«
»Ganz der alte Corwin«, sagte er und lachte leise. Dann wandte er den Blick ab. »Oder nicht? Ich weiß nicht recht ... Hat es dich verändert, was meinst du? Das lange Leben in den Schatten? Nicht zu wissen, wer du wirklich warst? Als Teil von etwas ganz anderem?«
»Vielleicht«, erwiderte ich. »Ich weiß es nicht. Ja, vermutlich hat es mich verändert. Zumindest bin ich neuerdings sehr ungeduldig, sobald Familienangelegenheiten zur Sprache kommen.«
»Offen heraus, direkt, kein Blatt vor den Mund! Damit entgeht dir aber ein Teil des Vergnügens. Aber auch dieses Neue hat seinen Wert. Damit kann man die anderen nervös machen ... man kann sein Verhalten wieder ändern, wenn es am wenigsten erwartet wird ... Ja, das könnte wertvoll sein. Zugleich erfrischend. Na gut! Reg dich nicht auf. Damit enden die Präliminarien. All die netten Worte der Einleitung sind gewechselt. Ich werde die grundsätzlichen Dinge bloßlegen, werde dem Monstrum Unvernunft die Zügel anlegen und aus dämmrigem Dunkel die Perle vornehmster Vernunft hervorzaubern. Doch zunächst noch eins, wenn es dir recht ist. Hast du etwas Rauchbares bei dir? Es ist jetzt etliche Jahre her, und ich hätte gern mal wieder das eine oder andere üble Kraut probiert – zur Feier meiner Rückkehr.«
Ich wollte schon nein sagen. Doch ich war sicher, daß im Tisch Zigaretten lagen, von mir selbst dort zurückgelassen. Eigentlich hatte ich etwas gegen die Anstrengung, doch ich sagte: »Moment.«
Als ich mich erhob und die Bibliothek durchquerte, versuchte ich, meine Bewegungen ganz entspannt aussehen zu lassen. Während ich die Tischschublade durchwühlte, stemmte ich die Hand auf die Platte und hoffte, daß es so aussah, als stützte ich mich lässig ab und nicht so schwer, wie es tatsächlich der Fall war. Ich verdeckte meine Bewegungen mit Körper und Mantel, soweit es ging.
Schließlich fand ich die Packung und kehrte auf dem gleichen Wege zurück; unterwegs verharrte ich kurz am Kamin, um zwei Zigaretten anzuzünden. Brand ließ sich Zeit, mir seine Zigarette abzunehmen.
»Deine Hand ist ziemlich zittrig«, sagte er. »Was ist denn los?«
»Zuviel gefeiert gestern«, sagte ich und kehrte zu meinem Stuhl zurück.
»Daran hatte ich ja noch gar nicht gedacht! Gewiß, dazu ist es gekommen, nicht wahr? Natürlich! Alle zusammen in einem Raum ... Der unerwartete Erfolg der Suche nach mir, meine Rückkehr ... Der verzweifelte Versuch seitens einer ausgesprochen nervösen und schuldbeladenen Person ... Ja, da lag der halbe Erfolg. Ich verwundet und stumm, doch wie lange? Dann ...«
»Du hast gesagt, du weißt, wer es getan hat. War das ein Scherz?«
«Nein.«
»Wer also?«
»Alles zu seiner Zeit, mein lieber Bruder. Alles zu seiner Zeit. Abfolge und Ordnung, Zeit und Akzent – das ist hier von großer Bedeutung. Gestatte mir, das Drama jenes Augenblicks in sicherem Rückblick zu genießen. Ich sehe mich verwundet und euch rings um mich. Ah! Was würde ich geben, um dieses Bild zu sehen! Könntest du mir vielleicht den Ausdruck auf den Gesichtern beschreiben?«
»Ich fürchte, die Gesichter waren in diesem Augenblick meine geringste Sorge.«
Er seufzte und blies Rauch aus.
»Ah, das tut gut«, sagte er. »Egal – ich kann mir die Gesichter vorstellen. Wie du weißt, besitze ich eine lebhafte Fantasie. Schock, Unbehagen, Verwirrung – hinüberwechselnd zu Mißtrauen und Angst. Dann, so sagt man mir, seid ihr alle gegangen, und der liebevolle Gérard hat mich umhätschelt.« Er schwieg, starrte in den Rauch,
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