Auszeit - Ein Schwarz Weiss Tot Krimi
Auszeit
(Stiltetyd)
1.
Um kurz vor vier rief Mavis vom Empfang aus an. »Hier ist ein Brief für dich,
Johnnie. Hat jemand für dich abgegeben.«
Sofort reagierte
er gereizt. Bestimmt war wieder einmal so ein Jungspund zu feige gewesen, seinen
Bericht direkt bei ihm abzuliefern, weil es schon spät und sein Machwerk
schlampig war. Er seufzte stumm. »Ich bin schon auf dem Sprung, ich hole ihn
gleich bei dir ab, wenn ich nach Hause gehe. Danke dir.«
»Schon okay«,
antwortete sie. »Und, was kocht Pearlie heute Abend?«
»
Masala -
Fisch mit
Roti
und ein
Tomaten
bredie
. Und zum Nachtisch
Johnson’s Specials
und
Fancies
.«
»Ach, Johnnie, ich weiß nicht, wann ich zuletzt ein
richtig leckeres Fancy gegessen habe!«
»Mal sehen,
vielleicht bleiben ja ein paar übrig.«
»Du bist ein
Schatz – nicht, dass ich je etwas anderes behauptet hätte«, fügte sie hastig
hinzu und legte auf. Er kehrte zum Rollwagen mit den Dokumenten zurück, mühsam,
hinkend. Sein Bein prophezeite ein Gewitter. Im November? Er griff nach den drei
neuen Haftbefehlen, trug sie zu den Aktenschränken auf der anderen Seite des
Raumes und suchte die passenden Ordner heraus.
Mavis war zu
beschäftigt, um sich mit ihm zu unterhalten. Ohne ihr Telefonat zu unterbrechen,
reichte sie ihm das hellgelbe Kuvert durch ihr Glasschiebefenster an.
»Danke!«,
flüsterte er tonlos. Sie zwinkerte ihm zur Antwort zu. Ihre Finger tanzten über
die Tastatur, und ihre Stimme klang munter und hilfsbereit, selbst noch beim
tausendsten Anruf am Tag. Wie machte sie das bloß?
Im Hinausgehen
betrachtete er das Kuvert. Die Adresse war handgeschrieben, mit schwarzer Tinte
und in einer kleinen, hübschen, sauberen Schrift:
Polizeidienststelle
Bellville, Supt. John October, Archiv, Provinziale Sondereinheit,
Kasselsvleiweg, Bellville-Suid 7530.
Weder Briefmarke noch Poststempel.
Ordentlich zugeklebt.
Der Brief stammte nicht von einem Kollegen.
Er nahm sich vor, den Brief im Auto zu
öffnen, weil der Wind zu stark über den Parkplatz pfiff. Aus nordwestlicher
Richtung, wie ihm auffiel. Er hob den Kopf und blickte nach Westen in Richtung
Tafelberg. Dort ballte sich eine Schlechtwetterfront zusammen, eine
Wolkensichel, die sich weit über den Atlantik erstreckte. Sein Bein hatte ihn
nicht getrogen. Er hoffte, dass es nicht zu früh anfing zu regnen, denn dann
würden Pearlies Tische leer bleiben. Die weiße Kundschaft kam nur bei schönem
Wetter.
Er
öffnete seinen Cressida und stieg ein. Den Schlüssel als Brieföffner benutzend,
ritzte er den Umschlag auf. Dünnes, hellgelbes Schreibpapier, ordentlich
zusammengefaltet.
Er zog den Brief heraus und faltete ihn auseinander.
Dabei fiel ein weiteres Stück Papier heraus und flatterte aufseinen Schoß. Ein Schnipsel, der wie ein Zeitungsartikel aussah. Er ließ
ihn liegen und las zuerst den Brief.
12. November
Sehr geehrter Supt. October,
das war
kein Unfall. Es war Mord.
Mehr später.
C.
Er las den Brief ein zweites Mal, mit
gerunzelter Stirn. Dann faltete er den Ausschnitt auseinander. Eine Meldung mit
der Überschrift:
Kapstadt, De Waterkant: Anwalt stirbt bei bizarrem Unfall
in Restaurant.
Daneben stand mit demselben schwarzen Stift und in
derselben Handschrift wie der Brief eine Randnotiz:
13. Oktober. Die Burger.
Dann
las er den Artikel:
KAPSTADT – Der bekannte Kapstädter
Anwalt Dirk Holtzhausen (46) kam gestern unter mysteriösen Umständen in
einem Restaurant im Szeneviertel De Waterkant ums Leben. Die Polizei glaubt
an einen merkwürdigen Unfall.
Holtzhausen
saß gestern mit Freunden in dem beliebten Restaurant Balducci’s beim
Mittagessen, als er plötzlich von einem bisher nicht identifizierten,
spitzen Gegenstand in den Hals getroffen wurde. Kurz darauf erlag er seinen
schweren Blutungen.
»Wir vermuten, dass der Gegenstand von einer nahe
gelegenen Baustelle oder von einem Schiff stammt« , sagte Polizeisprecherin Lianie
Strydom. »Er muss nach dem Unfall in dem Durcheinander der
Restaurantbesucher und Rettungskräfte
verlorengegangen sein. Bislang haben die Ermittlungen keinerlei
Hinweise darauf ergeben, dass Vorsatz im Spiel war. Wir hoffen nun, dass die
Autopsie weitere Anhaltspunkte bringt.«
Laut Mevrou
Riana van Rensburg, die zum Zeitpunkt des Unfalls mit dem Opfer an einem
Tisch saß, sei Meneer Holtzhausen plötzlich »mit einem Ruck hintenüber
gekippt« und
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