Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
Bleys und ließ dich allein zurück, als Verantwortlichen für den Umsturzversuch. Du hattest deinen Zweck erfüllt und mußtest sterben. In diesem Punkt ließ man uns keine große Wahl. Vom Gesetz her hätten wir dich töten müssen – und das weißt du auch.«
Ich biß mir auf die Unterlippe, hätte ich doch in diesem Augenblick so manches sagen können. Doch wenn seine Worte nur ungefähr der Wahrheit entsprachen, gab es eigentlich kein Gegenargument. Zunächst wollte ich mehr hören.
»Eric«, fuhr er fort, »rechnete sich aus, daß du nach einer gewissen Zeit dein Augenlicht wiedererlangen würdest, kannte er doch die regenerativen Kräfte unserer Familie. Er war in einer schwierigen Lage. Sollte Vater eines Tages zurückkehren, konnte Eric den Thron räumen und all seine Handlungen zur allgemeinen Zufriedenheit belegen – nur deinen Tod hätte er nicht rechtfertigen können. Das wäre ein zu klarer Schritt gewesen zur Absicherung seiner Position über die derzeitigen Unruhen hinaus. Und ich sage dir ganz offen, daß er dich eigentlich nur einschließen und vergessen wollte.«
»Von wem kam dann der Einfall mit der Blendung?«
Er schwieg lange. Dann sprach er leise weiter; seine Stimme war fast ein Flüstern. »Hör mich bitte bis zu Ende an.
Ich
hatte den Einfall, und vielleicht verdankst du dieser Idee dein Leben. Unser Vorgehen gegen dich mußte dem Tod gleichzusetzen sein, sonst hätte der Gegner bestimmt nachgehakt. Du konntest den dreien nicht mehr nützen, doch wärst du frei und am Leben gewesen, hätte die Möglichkeit bestanden, daß du später wieder zur Gefahr wurdest. Sie hätten deinen Trumpf verwenden können, um sich mit dir in Verbindung zu setzen und dich zu töten; sie hätten die Karte auch einsetzen können, um dich zu befreien und dich in einem neuen Schachzug gegen Eric zu opfern. Da du nun aber blind warst, bestand keine Veranlassung, dich zu töten. Die Blendung war also deine Rettung, weil du dadurch lange Zeit aus dem Verkehr gezogen wurdest; sie ersparte uns außerdem eine durchgreifendere Maßnahme, die man uns eines Tages vorwerfen konnte. So wie wir die Dinge sahen, hatten wir keine Wahl: Wir mußten es tun. Auch konnten wir dich nicht offiziell begnadigen, um uns nicht dem Verdacht auszusetzen, wir hätten etwas mit dir vor. Sobald es so ausgesehen hätte, wärst du ein toter Mann gewesen. Wir konnten höchstens beide Augen schließen, sobald Lord Rein deine Lage zu verbessern versuchte. Das war alles.«
»Ich sehe nun klarer«, sagte ich.
»Ja«, stimmte er mir zu, »du hast viel zu früh wieder sehen können. Niemand ahnte, daß deine Augen so schnell gesunden würden und du fliehen könntest. Wie hast du das nur gemacht?«
»Das werde ich dir nicht auf die Nase binden. Was weißt du über Brands Gefangenschaft?«
Er sah mich offen an.
»Mir ist nur bekannt, daß es in der Gruppe Streit gab. Die Einzelheiten kenne ich natürlich nicht. Aus irgendeinem Grunde hatten Bleys und Fiona Angst, ihn zu töten; andererseits wollten sie ihn nicht frei herumlaufen lassen. Als wir ihn aus dem Kompromiß – seiner Gefangenschaft – befreiten, hatte Fiona anscheinend mehr Angst davor, ihn in Freiheit zu wissen.«
»Und du hattest genug Angst vor ihm, um Anstalten zu machen, ihn umzubringen. Warum das, nach all der Zeit, wo doch die Ereignisse längst Geschichte sind und die Machtverhältnisse sich erneut verändert haben? Er war schwach und geradezu hilflos. Welchen Schaden kann er heute noch anrichten?«
Er seufzte.
»Ich verstehe die Kräfte nicht, die er besitzt«, sagte er, »aber sie sind beträchtlich. So weiß ich, daß er mit dem Verstand durch die Schatten wandern kann; daß er ein Objekt in den Schatten ausfindig machen und es dann durch reine Willenskraft zu sich holen kann, ohne sich aus seinem Stuhl zu erheben; außerdem vermag er sich auf ähnliche Weise physisch durch die Schatten zu bewegen. Er richtet seinen Geist auf den Ort, den er besuchen möchte, bildet eine Art gedankliche Tür und tritt einfach hindurch. Analog dazu nehme ich an, daß er manchmal deuten kann, was ein anderer denkt. Es ist fast, als wäre er selbst eine Art lebendiger Trumpf. Ich weiß von diesen Dingen, weil ich selbst beobachtet habe, wie er so etwas tut. Während wir ihn im Palast unter Beobachtung hielten, entwischte er uns auf diese Weise – etwa zu der Zeit, da er auf die Schatten-Erde reiste und dich in ein Institut einliefern ließ. Als wir ihn wieder eingefangen hatten, blieb
Weitere Kostenlose Bücher