Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
das Juwel. Ich versetzte mich hinein, stieg hindurch, hinaus und hinauf. Ich spürte das Unwetter ringsum und schickte es fort, mit roten Pulsschlägen der Energie, die meinen Herzschlägen entsprachen. Dann lehnte ich mich zurück, holte ein neues Streichholz heraus und zündete meine Pfeife an. Die Kräfte, die ich in Gang gebracht hatte, würden eine Weile brauchen, um sich gegen eine Sturmfront dieser Größe durchzusetzen.
»Dauert nicht mehr lange«, stellte ich fest.
»Woher weißt du das?«
»Geheime Informationen.«
Er lachte leise.
»Manche behaupten, so würde es mit der Welt zu Ende gehen – beginnend mit einem seltsamen Unwetter aus dem Norden.«
»Stimmt genau«, sagte ich. »Es ist soweit. Allerdings brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Auf die eine oder andere Weise wird alles vorüber sein.«
»Der Stein, den du trägst ... Er leuchtet.«
»Ja.«
»Was du da eben über das Ende der Welt gesagt hast, war doch nur ein Scherz, oder?«
»Nein.«
»Du erinnerst mich an den Spruch aus dem Heiligen Buch –
Der Erzengel Corwin wird vor dem Sturm einherschreiten, einen Blitzstrahl auf der Brust ...
Du heißt nicht zufällig Corwin, wie?«
»Wie geht der Text weiter?«
»... Auf die Frage hin, wohin er reise, wird er sagen: ›Ans Ende der Erde‹, und er begibt sich dorthin, ohne zu wissen, welcher Feind ihm gegen einen anderen Feind beistehen wird, oder wen das Horn berührt.«
»Das ist alles?«
»Jedenfalls über den Erzengel Corwin.«
»Mit den alten Schriften habe ich schon früher meine Probleme gehabt. Man erfährt darin so allerlei, das sich ganz interessant anhört, doch nie genug, um die Information wirklich sofort nutzen zu können. Es ist beinahe, als hätte der Autor Spaß daran, seine Leser zu quälen. Ein Feind gegen einen anderen? Das Horn? Verstehe ich nicht.«
»Wohin ziehst du denn?«
»Nicht mehr sehr weit, wenn ich mein Pferd nicht wiederfinde.«
Ich kehrte an den Höhleneingang zurück. Der Regen begann nachzulassen; hinter einigen Wolken hing ein Schimmer wie von einem Mond, und ein zweiter im Osten. Ich blickte den Pfad hinauf und hinab ins Tal. Nirgendwo waren Pferde zu sehen. Ich wandte mich wieder zur Höhle um. Im gleichen Augenblick jedoch hörte ich Stars Wiehern tief unter mir.
Ich rief dem Fremden in der Höhle zu: »Ich muß fort. Du kannst die Decke behalten.«
Ich weiß nicht, ob er mir antwortete, denn ich lief sofort in den Nieselregen hinein und tastete mich den Hang hinab. Von neuem machte ich einen Vorstoß durch das Juwel, und der Regen hörte ganz auf und wurde von Nebel abgelöst.
Die Felsen waren glatt, doch ich legte die Hälfte der Strecke zurück, ohne ins Stolpern zu kommen. Dann hielt ich inne, um wieder zu Atem zu kommen und mich zu orientieren. Von dieser Stelle vermochte ich nicht genau zu sagen, aus welcher Richtung Stars Wiehern gekommen war. Das Mondlicht war allerdings ein wenig kräftiger, man konnte weiter schauen, doch im Panorama vor mir tat sich nichts. Mehrere Minuten lang lauschte ich in die Nacht.
Dann hörte ich das Wiehern erneut – von links unten, nahe einem dunklen Felsen – Hügelgrab oder aufragende Klippe. In den Schatten an seinem Fuß schien sich etwas zu bewegen. So schnell ich es wagte, begab ich mich in diese Richtung.
Ich erreichte ebenen Grund und eilte auf den Schauplatz der Ereignisse zu; dabei durchquerte ich Formationen von Bodennebel, die von einer Brise aus dem Westen bewegt wurden und silbrig meine Knöchel umspielten. Ich hörte ein Knirschen und Quietschen, als würde etwas Schweres über eine Steinfläche geschoben oder gerollt. Dann bemerkte ich einen Lichtstrahl unten an der dunklen Masse, der ich mich näherte.
Im Näherkommen erblickte ich kleine menschenähnliche Gestalten als Umrisse in einem Lichtrechteck, damit beschäftigt, eine große Felsplatte zu bewegen. Aus ihrer Richtung tönten die schwachen Echos von Hufschlägen und neuerlichem Wiehern herüber. Dann begann sich der Stein zu bewegen, begann zuzuschwingen wie eine Tür, die er vermutlich darstellte. Das beleuchtete Feld wurde kleiner, verengte sich zu einem Spalt und verschwand mit einem Dröhnen. Die sich abmühenden Gestalten waren zuvor im Innern verschwunden.
Als ich die Felsmasse endlich erreichte, war alles wieder friedlich und still. Ich legte das Ohr an das Gestein, hörte aber nichts. Wer immer diese Wesen waren – sie hatten mir mein Pferd weggenommen! Für Pferdediebe hatte ich noch nie etwas übriggehabt und
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