Die Prinzen von Amber
darüber schlüssig zu werden, wer wohl als nächster dran ist.«
»»Und ...?«
»Benedict hält das Rennen für offen. Du oder er. Natürlich vorausgesetzt, daß du nicht hinter allem steckst. Er ist außerdem der Meinung, dein Freund Ganelon sollte sich in acht nehmen.«
»Ganelon ... Ja, das ist ein Gedanke – ein Gedanke, auf den ich hätte kommen sollen. Und mit dem offenen Rennen hat er sicher auch recht. Das Handicap geht vielleicht sogar zu seinen Lasten, da man weiß, daß ich nach der versuchten Täuschung auf der Hut bin.«
»Ich würde sagen, daß auch Benedict inzwischen ziemlich wachsam ist und daß wir das alle wissen. Er hat es geschafft, seine Meinung überall bekanntzumachen. Ich glaube, er würde einen Angriff sogar willkommen heißen.«
Ich lachte leise vor mich hin.
»Das mag die Startpositionen wieder ausgleichen. Vielleicht ist es tatsächlich ein offenes Rennen.«
»Das hat er auch gesagt. Er wußte natürlich, daß ich es dir weitererzählen würde.«
»Natürlich – ich wünschte, er würde wieder direkt mit mir sprechen. Na ja ... daran kann ich im Augenblick wohl nichts ändern. Zum Teufel mit allem! Ich gehe zu Bett.«
Er nickte.
»Schau zuerst unter das Bett!«
Wir verließen den Raum und gingen den Flur entlang.
»Corwin, ich wünschte, du wärst so weitsichtig gewesen, außer den Gewehren auch ein bißchen Kaffee mitzubringen«, sagte er. »Jetzt könnte ich eine Tasse vertragen.«
»Hält dich das Zeug nicht unnötig wach?«
»Nein. Ich brauche am Abend ein paar Tassen.«
»Mir fehlt das Zeug am Morgen. Wenn wir das ganze Durcheinander aufgeklärt haben, müssen wir ein paar Portionen importieren.«
»Das ist ein geringer Trost, aber eine gute Idee. Was war übrigens mit Fiona los?«
»Sie hält Julian für den Schuldigen.«
»Damit hat sie vielleicht sogar recht.«
»Und Caine?«
»Nehmen wir einmal an, hinter unseren Problemen steckt keine Einzelperson«, sagte er, während wir die Treppe emporstiegen. »Sagen wir ruhig, es waren zwei, beispielsweise Julian
und
Caine. Die beiden haben sich unlängst erst gestritten, Caine war der Unterlegene, Julian beseitigte ihn und nutzte den Todesfall aus, um zugleich deine Position zu schwächen. Ehemalige Freunde geben die übelsten Feinde ab.«
»Sinnlos«, sagte ich. »Mir wird ganz schwindlig, wenn ich mich mit allen vorstellbaren Möglichkeiten befasse. Entweder müssen wir abwarten, bis etwas Neues passiert, oder wir müssen dafür sorgen, daß etwas geschieht. Wahrscheinlich das letztere. Aber nicht mehr heute abend ...«
»He! Warte mal!«
»Tut mir leid.« Ich blieb auf dem Treppenabsatz stehen. »Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Vermutlich der Endspurt ins Bett.«
»Hast du eine Energie«, sagte er verdutzt und holte mich wieder ein. Wir setzten unseren Weg gemeinsam fort, und ich gab mir Mühe, mich seinem schleppenden Schritt anzupassen, widersetzte mich dem Bestreben loszueilen.
»Nun denn, schlaf gut«, sagte er schließlich.
»Gute Nacht, Random.«
Er setzte seinen Weg nach oben fort, während ich in den Korridor einbog und zu meinen Gemächern ging. Inzwischen war ich ziemlich nervös, worauf es wohl auch zurückzuführen war, daß ich meinen Schlüssel fallenließ.
Ich packte zu und schnappte das Ding noch in der Luft, ehe es weit gefallen war. Gleichzeitig hatte ich den Eindruck, daß sich der Schlüssel irgendwie langsamer bewegte, als er es hätte tun sollen. Ich steckte ihn in das Schloß und drehte ihn herum.
Das Zimmer lag im Dunkeln, doch ich verzichtete darauf, eine Kerze oder Öllampe anzuzünden. Ich war seit jeher an die Dunkelheit gewöhnt. Ich verschloß und verriegelte die Tür. Meine Augen hatten sich bereits dem Halbdämmer des Flurs angepaßt und stellten sich schnell um. Ich wandte mich um. Durch die Vorhänge drang Sternenlicht herein. Ich durchquerte den Raum, wobei ich gleichzeitig meinen Kragen öffnete.
Er wartete in meiner Schlafkammer, links vom Eingang. Er hatte sich die ideale Stellung ausgesucht und machte keinen Fehler. Ich ging direkt in die Falle. Er hatte die beste Ausgangsposition, er hielt den Dolch in der Hand, er hatte die Überraschung ganz auf seiner Seite. Eigentlich hätte ich sterben müssen – nicht in meinem Bett, sondern dicht davor, am Fußende.
Als ich über die Schwelle trat, erfaßte ich den Ansatz der Bewegung, erkannte die Gefahr und ihre Bedeutung.
Noch während ich den Arm hob, um die Bewegung abzublocken, erkannte ich, daß ich
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