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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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ein Wagen vorbeigefahren; ich sah die Rücklichter kleiner werden. Es war das einzige Fahrzeug weit und breit.
    Eiskristalle stachen mir ins Gesicht, als ich weiterkroch. Meine Knie waren unangenehm kalt. Das Grundstück vor dem Haus fiel zur Straße hin ab, zunächst nur wenig, dann ziemlich steil. Etwa hundert Meter weiter rechts befand sich eine Senke, vor der die Autofahrer normalerweise das Gas zurücknahmen und auf die Bremse traten. Vielleicht verschaffte mir dieser Umstand eine etwas längere Zeit im Scheinwerferlicht der Wagen, die aus dieser Richtung kamen – einer jener kleinen positiven Aspekte, derer sich der Geist gern versichert, wenn es brenzlig wird, ein Aspirin für die Emotionen. Nach drei langen Pausen hatte ich den Straßenrand erreicht – den großen Felsbrocken, auf dem sich meine Hausnummer befand. Ich setzte mich auf den Stein und lehnte mich gegen den kalten Hang. Dann zerrte ich den zweiten Kissenbezug hervor und legte ihn mir über die Knie.
    Ich wartete. Ich wußte, daß meine Gedanken verwirrt waren. Vermutlich bin ich mehrmals bewußtlos geworden und wieder zu mir gekommen. Sobald ich wieder einmal hochschreckte, versuchte ich meine Gedanken in Ordnung zu bringen, um mir über frühere Ereignisse klar zu werden im Lichte der Dinge, die eben mit mir geschehen waren, damit ich noch andere Sicherheitsmaßnahmen ergreifen konnte. Doch schon der erste Versuch ging über meine Kräfte. Es war einfach zu schwierig, auf einer anderen Ebene zu denken, als es die Reaktion auf die augenblickliche Umgebung erforderte. Doch in einem matten Aufflackern der Erkenntnis wurde mir klar, daß ich meine Trümpfe noch hatte. Ich konnte jemanden in Amber anrufen, konnte mich zurückholen lassen.
    Doch wen? Ich war noch nicht so mitgenommen, daß ich ausschloß, womöglich eben den Mann anzusprechen, der für meinen Zustand verantwortlich war. War es besser, dieses Risiko einzugehen oder hier nach einer Lösung zu suchen? Trotzdem, Random oder Gérard ...
    Ich glaubte einen Wagen zu hören. Noch fern, sehr leise ... Der Wind und mein Pulsschlag kamen der Wahrnehmung allerdings ins Gehege. Ich wandte den Kopf. Ich konzentrierte mich.
    Dort ... Wieder. Ja. Ein Motor. Ich hielt mich bereit, den Kissenbezug zu schwenken.
    Doch selbst jetzt entglitten mir meine Gedanken. Einer der Gedankensplitter beschäftigte sich damit, daß ich womöglich gar nicht mehr in der Lage war, mich ausreichend zu konzentrieren, um mit den Trümpfen umzugehen.
    Das Geräusch wurde lauter. Ich hob das Kissen. Gleich darauf wurde der am weitesten entfernte sichtbare Punkt der Straße zu meiner Rechten angestrahlt. Und schon erblickte ich den Wagen oben auf der Anhöhe. Als er den Hang hinabfuhr, verlor ich ihn wieder aus den Augen. Dann kam er langsam hangaufwärts; Schneeflocken wirbelten durch das Scheinwerferlicht.
    Ich begann zu winken, als sich das Fahrzeug der Senke näherte. Das Licht berührte mich, als der Wagen heraufkam, der Fahrer mußte mich gesehen haben. Er fuhr dennoch vorbei, ein Mann in einer neuen Limousine, eine Frau auf dem Beifahrersitz. Die Frau drehte sich um und sah mich an, doch der Fahrer ging nicht einmal mit dem Tempo herunter.
    Einige Minuten später kam ein zweiter Wagen vorbei, ein wenig älter, eine Frau am Steuer, allein. Sie bremste ab, doch nur einen Augenblick lang. Offenbar gefiel ihr mein Aussehen nicht. Sie trat wieder aufs Gas und war im Nu verschwunden.
    Ich ließ mich zurücksinken und versuchte mich auszuruhen. Ein Prinz von Amber kann sich wohl kaum auf die Nächstenliebe als moralisches Prinzip berufen. Wenigstens nicht mit ernstem Gesicht, und im Augenblick hätte mich ein Lachen zu sehr geschmerzt.
    Ohne Kraft, Konzentration und eine gewisse Bewegungsfreiheit war meine Macht über die Schatten nutzlos. Ich beschloß, sie als erstes zu benutzen, um ein warmes Plätzchen zu erreichen ... Ich fragte mich, ob ich den Rückweg zum Komposthaufen schaffen würde. Bisher war es mir nicht eingefallen, mit Hilfe des Juwels das Wetter zu verändern. Wahrscheinlich war ich dafür inzwischen auch zu schwach. Die Anstrengung hätte mich womöglich das Leben gekostet. Trotzdem ...
    Ich schüttelte den Kopf. Ich nickte langsam ein, wollte bereits in Träume versinken. Ich mußte wach bleiben! War das ein weiterer Wagen? Vielleicht. Ich versuchte den Kissenbezug zu heben, er entglitt meinen Fingern. Als ich mich vorbeugte, um das Stück Leinen wieder an mich zu nehmen, mußte ich einen Augenblick lang

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