Die Prinzen von Amber
Treppe heller. Hastig blickte ich auf den Mond. Ein Streifen Kumuluswolken verdeckte einen Teil der Mondscheibe. Verdammt!
Ich wandte mich wieder Benedicts Trumpf zu. Es passierte langsam, doch ich gewann den Kontakt zurück, was doch darauf hindeutete, daß irgendwo tief im Innern Benedict bei vollem Bewußtsein war. Brand war noch einen Schritt nähergekommen und verspottete seinen Gegner weiter. Das Juwel an der dicken Kette schimmerte im Licht seiner Aktivität. Die beiden waren noch etwa drei Schritte voneinander entfernt. Brand spielte an seinem Dolch herum.
»... Ja, Benedict«, sagte er. »Du wärst wahrscheinlich lieber im Kampf gestorben. Andererseits kannst du dies als eine Art Ehre ansehen – als eine ganz besondere Ehre. In gewisser Weise ebnet dein Tod den Weg zur Geburt einer neuen Ordnung ...«
Eine Sekunde lang verblaßte das Muster hinter den beiden Gestalten. Doch ich vermochte den Blick nicht von der Szene zu lösen, um den Mond anzuschauen. Brand stand im Schatten und im flackernden Lichtschein mit dem Rücken zum Muster und schien nichts zu bemerken. Er machte einen weiteren Schritt.
»Aber davon jetzt genug«, sagte er. »Es gilt einiges zu erledigen, und die Nacht wird nicht jünger.«
Er trat vor und senkte die Klinge. »Gute Nacht, lieber Prinz«, sagte er und setzte zum tödlichen Stich an.
In diesem Augenblick bewegte sich Benedicts unheimlicher mechanischer rechter Arm, der aus dieser Welt des Silbers, der Schatten und des Mondlichts stammte, bewegte sich mit der Geschwindigkeit einer zustoßenden Schlange. Ein Ding voller schimmernder metallischer Flächen, die an die Facetten eines Juwels erinnerten, das Handgelenk ein wundersames Gewirr von Silberkabeln, benietet mit Punkten aus Feuer, stilisiert, skeletthaft, ein Werkzeug von Schweizer Präzision, ein mechanisches Insekt, funktionell, auf seine Weise tödlich – so schoß der Arm vor, mit einer Geschwindigkeit, der ich mit den Augen nicht zu folgen vermochte, während der Rest des Körpers ruhig blieb, eine Statue.
Die künstlichen Finger packten die Kette des Juwels, die um Brands Hals führte. Gleichzeitig ruckte der Arm nach oben und hob Brand in die Höhe. Brand ließ erschreckt den Dolch fallen und faßte sich mit beiden Händen an den Hals.
Hinter ihm verblaßte das Muster von neuem. Dann kehrte es zurück, doch es leuchtete bei weitem nicht mehr so hell. Brands Gesicht war ein gespenstisches, verzerrtes Etwas im Lampenschein. Benedict rührte sich noch immer nicht, hielt ihn lediglich empor, reglos, ein menschlicher Galgen.
Das Muster wurde schwächer. Die Stufen über mir begannen zu verschwinden. Der Mond war nur noch halb sichtbar.
Strampelnd hob Brand die Arme über den Kopf und umfaßte die Kette zu beiden Seiten der Metallhand, die sie hielt. Er war kräftig, wie wir alle. Ich sah, wie sich seine Muskeln wölbten und härter wurden. Sein Gesicht war dunkel, sein Hals eine Masse hervortretender Stränge. Er biß sich auf die Lippe. Blut rann ihm in den Bart, während er an der Kette zerrte.
Mit lautem Knall riß die Kette, und Brand stürzte schweratmend zu Boden. Er rollte einmal um die eigene Achse, wobei sich beide Hände an seinem Hals zu schaffen machten.
Langsam, sehr langsam, senkte Benedict den seltsamen Arm. Die Hand hielt noch immer Kette und Juwel. Er zog den anderen Arm an. Ein leises Seufzen kam aus seinem Mund.
Das Muster verblaßte noch mehr. Tir-na Nog´th wurde durchsichtig über mir. Der Mond war fast nicht mehr zu sehen.
»Benedict!« rief ich. »Kannst du mich hören?«
»Ja«, sagte er leise und begann durch den Boden zu sinken.
»Die Stadt verblaßt! Du mußt sofort zu mir kommen!«
Ich streckte die Hand aus.
»Brand ...«, sagte er und drehte sich um.
Aber Brand sank ebenfalls ein, und ich erkannte, daß Benedict ihn nicht mehr erreichen konnte. Ich packte Benedicts linke Hand und zerrte ihn zu mir. Neben den Stufen stürzten wir zu Boden.
Ich half ihm auf. Dann setzten wir uns nebeneinander auf den Steinvorsprung. Lange sagten wir nichts. Ich blickte empor: Tir-na Nog´th war verschwunden.
Ich überdachte die Ereignisse, die an diesem Tag so schnell, so überraschend über uns hereingebrochen waren. Müdigkeit überschattete mich wie eine ungeheure Last, und ich hatte das Gefühl, daß meine Energien erschöpft waren, daß ich so schnell wie möglich schlafen mußte. Ich vermochte kaum noch klar zu denken. Das Leben war in letzter Zeit einfach zu hektisch gewesen. Ich lehnte
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