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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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hier? Der Mann war verrückt, dabei sollte man es belassen. Schade, aber so war es nun mal. Vererbung oder Umwelt? Ich stellte mir ganz nüchtern diese Fragen. Wir alle waren auf unsere Art mehr oder weniger verrückt. Um ganz ehrlich zu sein, mußte schon eine Art Wahnsinn dahinterstecken, wenn man soviel besaß und trotzdem verbittert nach mehr strebte, nach einem winzigen Vorteil über die anderen. Brand projizierte diese Neigung ins Extrem, das ist alles. In ihmfand sich eine Überzeichnung der Manie, die uns alle gepackt hielt. Kam es so gesehen überhaupt darauf an, wer von uns der Verräter war?
    O ja. Er war schließlich derjenige, der gehandelt hatte. Wahnsinnig oder nicht, er war zu weit gegangen. Er hatte Dinge getan, die Eric, Julian und ich nicht getan hätten. Bleys und Fiona hatten sich im letzten Moment von seinem Gestalt annehmenden Plan zurückgezogen. Gérard und Benedict standen eine Stufe über den anderen – sie waren moralischer oder reifer, irgend etwas –, denn sie hatten an dem umfassenden Machtspiel nicht teilgenommen. Random hatte sich in den letzten Jahren sehr verändert. War es möglich, daß die Kinder des Einhorns eine lange Reifezeit brauchten, daß wir alle langsam unsere Entwicklung durchmachten, eine Entwicklung, die an Brand irgendwie vorbeigegangen war? Oder war denkbar, daß Brand durch seine Taten die Entwicklung in uns anderen erst auslöste? Wie es bei solchen Fragen meistens ist, war es gut, sie zu stellen; die Antwort war weniger wichtig. Wir waren Brand so ähnlich, daß ich in diesem Augenblick eine ganz besondere Angst empfand, die niemand sonst in mir hätte wecken können. Nein, es kam mir trotzdem auf eine Antwort an. Wie immer seine Gründe aussehen mochten, er war derjenige, der gehandelt hatte.
    Der Mond war inzwischen höher gestiegen, sein Schein überstrahlte fast mein inneres Bild vom Saal des Musters. Die Wolken setzten ihre Bewegungen fort, wogten immer näher an den Mond heran. Ich wollte Benedict schon darauf aufmerksam machen, aber das hätte ihn nur abgelenkt. Über mir schwamm Tir-na Nog´th wie eine übernatürliche Arche auf dem Meer der Nacht.
    ... Und plötzlich war Brand zur Stelle.
    Instinktiv fuhr meine Hand an Grayswandirs Griff, obwohl ein Teil von mir sofort erkannte, daß er auf der anderen Seite des Musters stand, weit von Benedict entfernt, in einem dunklen Saal hoch am Himmel.
    Ich ließ die Hand sinken. Benedict war sofort auf den Eindringling aufmerksam geworden und wandte sich in seine Richtung. Er machte keine Anstalten, die Waffe zu ergreifen, sondern starrte über das Muster auf unseren Bruder.
    Zuerst hatte ich gefürchtet, Brand würde versuchen, direkt hinter Benedict zu landen und ihn von hinten zu erstechen. Ich selbst hätte so etwas allerdings nicht versucht, denn selbst im Tode hätten Benedicts Reflexe ausreichen können, seinen Angreifer auszuschalten. Offenbar war auch Brand nicht ganz so verrückt.
    Brand lächelte.
    »Benedict«, sagte er. »Daß ... du ... hier ... bist!«
    Das Juwel des Geschicks hing feurig lodernd auf seiner Brust.
    »Brand«, sagte Benedict. »Versuch es nicht.«
    Lächelnd öffnete Brand seinen Schwertgürtel und ließ die Waffe zu Boden fallen. Als das Echo des Polterns erstorben war, sagte er: »Ich bin kein Narr, Benedict. Der Mann, der mit einer Klinge gegen dich ankommt, ist noch nicht geboren worden.«
    »Ich brauche die Klinge nicht, Brand.«
    Brand begann langsam am Rand des Musters entlangzugehen.
    »Und doch trägst du sie als Diener des Thron, auf dem du hättest sitzen können.«
    »Das hat auf der Liste meiner Ziele noch nie einen hohen Rang eingenommen.«
    »Richtig.« Er hielt inne. »Loyal und sich selbst verleugnend. Du hast dich überhaupt nicht geändert. Nur schade, daß Vater dich so gut trainiert hat. Du hättest viel weiter kommen können.«
    »Ich habe alles, was ich wollte«, stellte Benedict fest.
    »... Daß du so unterdrückt worden bist, so früh gebrochen wurdest.«
    »Und mit Worten schaffst du mich auch nicht, Brand. Zwing mich nicht, dir wehzutun.«
    Das Lächeln blieb, und Brand setzte sich langsam wieder in Bewegung. Was hatte er nur vor? Ich konnte mir seine Strategie nicht erklären.
    »Du weißt, daß ich gewisse Fähigkeiten habe, die die anderen nicht besitzen«, sagte Brand. »Wenn es irgend etwas gibt, das du dir wünschst, hast du jetzt die Gelegenheit, es mir zu nennen und zu erfahren, wie sehr du dich geirrt hast. Ich habe Dinge gelernt, die du kaum

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