Die Prinzen von Amber
sie offenstand. Ich ging um Fiona herum und näherte mich den beiden Männern. Vater hatte den Kopf gesenkt und die Augen zusammengekniffen. Diesen Ausdruck kannte ich.
»Was soll das, Corwin? Du bist ohne Erlaubnis hier. Ich habe den verdammten Befehl bestätigt, jetzt erwarte ich, daß er auch ausgeführt wird.«
»Das soll geschehen«, sagte ich und nickte. »Ich bin nicht gekommen, um mich darüber mit dir zu streiten.«
»Worüber dann?«
Ich rückte näher und berechnete dabei meine Worte wie auch die Entfernung. Es freute mich, daß er sitzen geblieben war.
»Wir sind eine Zeitlang als Kameraden miteinander geritten«, sagte ich. »Verflucht will ich sein, wenn ich dich in dieser Zeit nicht liebgewonnen habe. Ich hatte nie Sympathie für dich, weißt du. Auch nicht den Mut, so etwas bisher auszusprechen, aber du weißt, daß ich die Wahrheit sage. Ich spiele gern mit dem Gedanken, daß die Dinge so zwischen uns hätten stehen können, wenn wir nicht eben gewesen wären, was wir sind.« Einen Sekundenbruchteil lang schien sich sein Blick zu erweichen, während ich weiter in Position rückte. Dann fuhr ich fort: »Jedenfalls möchte ich an dich auf diese Weise glauben und nicht auf die andere; denn es gibt etwas, das ich sonst nicht für dich getan hätte.«
»Was?« fragte er.
»Dies.«
Ich packte das Juwel mit hochschnellender Hand und zerrte mit einem Ruck die Kette über den Kopf. Sofort machte ich auf dem Absatz kehrt und hastete durch den Raum und zur Tür hinaus. Ich zog sie hinter mir ins Schloß. Sie ließ sich von außen nicht verriegeln, und so eilte ich weiter, den umgekehrten Weg gehend, auf dem ich Dworkin damals durch die Höhle gefolgt war. Hinter mir ertönte das erwartete Gebrüll.
Ich folgte den Windungen. Dabei kam ich nur einmal ins Stolpern. Wixers Geruch machte sich in seinem Höhlennest noch stark bemerkbar. Ich hastete weiter und sah nach einer letzten Biegung Tageslicht vor mir.
Ich eilte darauf zu, wobei ich die Kette des Juwels über den Kopf gleiten ließ. Ich spürte, wie es mir vor die Brust fiel. Mit dem Verstand drang ich in das Gebilde ein. In der Höhle hinter mir hallten Echos auf.
Das Freie!
Ich sprintete auf das Muster zu. Währenddessen konzentrierten sich meine Gefühle im Juwel, das zu einem zusätzlichen Sinnesorgan wurde. Außer Vater und Dworkin war ich die einzige Person, die voll auf das Juwel eingestimmt war. Dworkin hatte mir gesagt, das Muster ließe sich reparieren, indem eine Person in einem solchen Stadium der Einstimmung das Große Muster durchschreite und bei jeder Überquerung die Verfärbung ausbrenne, sie ersetzend durch Urmasse aus dem Bild des Musters, das sie mit sich herumtrüge, dabei die schwarze Straße auslöschend. Es war besser, wenn ich diesen Versuch machte, und nicht Vater. Ich war immer noch der Meinung, daß die schwarze Straße ihre endgültige Form zum Teil auch der Stärke meines Fluches gegen Amber verdankte. Auch diese Schuld wollte ich jetzt auslöschen. Ohnehin war Vater besser als ich dazu geeignet, nach dem Krieg wieder alles ins Lot zu bringen. In jenem Augenblick wurde mir klar, daß ich den Thron gar nicht mehr wollte. Selbst wenn er mir zugestanden hätte – welch überwältigende Aussicht, dem Königreich durch all die langweiligen Jahrhunderte zu dienen, die mir noch bevorstehen mochten! Vielleicht war es der problemlosere Ausweg, wenn ich bei diesem Versuch umkäme. Eric war tot, und ich haßte ihn nicht mehr. Das andere, von dem ich beflügelt worden war – das Streben nach dem Thron – schien mir aus heutiger Sicht nur vorhanden gewesen zu sein, weil ich gemeint hatte, er wolle es so. Nun löste ich mich von beidem. Was blieb übrig? Ich hatte Vialle ausgelacht, ehe ich nachdenklich wurde. Aber sie hatte recht gehabt. Der alte Soldat war in mir die größte Kraft. Es war eine Sache der Pflicht. Aber nicht nur der Pflicht. Es ging um mehr ...
Ich erreichte den Rand des Musters und begab mich mit schnellen Schritten an seinen Anfang. Hastig blickte ich zur Höhlenöffnung hinüber. Vater, Dworkin, Fiona – von ihnen war noch niemand zu sehen. Gut. Sie würden mich nicht mehr aufhalten. Sobald ich einen Fuß auf das Muster stellte, blieb ihnen nichts anderes übrig, als abzuwarten und zuzusehen. Einen Sekundenbruchteil lang dachte ich an Iagos Auflösung, dann verdrängte ich den Gedanken und versuchte mich soweit zu beruhigen, wie es für mein Vorhaben erforderlich war. Gleich darauf mußte ich an meinen
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