Die Prinzen von Amber
wichtige Neuigkeiten oder Hilfsangebote entgehen, doch ich konnte mir das Risiko nicht leisten. Der versuchte Kontakt und mein Abblocken erfüllten mich mit einer ungewohnten Kälte. Ich erschauderte. Den ganzen Tag hindurch beschäftigte ich mich mit dem Ereignis und kam zu dem Schluß, daß die Zeit zum Abschied gekommen sei. Sinnlos, in der Nähe Ambers zu bleiben, solange meine Position noch so schwach war. Ich hatte mich soweit erholt, daß ich wieder in den Schattenwelten untertauchen konnte. Die Fürsorge des alten Jopin hatte meine gewohnte Vorsicht etwas eingeschläfert. Es würde weh tun, ihn zu verlassen, denn in den Monaten unseres Zusammenseins war mir der alte Knabe ans Herz gewachsen. Nach einer Partie Schach am gleichen Abend vertraute ich ihm meine Pläne an.
Er schenkte zwei Gläser voll, hob das seine und sagte: »Das Glück sei mit Euch, Corwin. Ich hoffe, ich sehe Euch eines Tages wieder.«
Ich sagte nichts zu der Tatsache, daß er mich mit meinem richtigen Namen angeredet hatte, und er lächelte, als er erkannte, daß mir der Umstand nicht entgangen war.
»Ihr seid ein guter Mann, Jopin«, sagte ich. »Wenn ich Erfolg habe mit dem, was ich jetzt in Angriff nehmen muß, werde ich nicht vergessen, was Ihr für mich getan habt.«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich wünsche mir nichts«, sagte er. »Ich bin hier vollauf zufrieden, ich habe Spaß an der Arbeit. Es gefällt mir, mich um diesen Turm zu kümmern. Er ist mein ganzes Leben.
Wenn Ihr Erfolg habt in Eurem Bemühen – nein, verratet mir nichts davon, bitte! Ich will es nicht wissen! –, dann kommt Ihr hoffentlich manchmal auf eine Partie Schach vorbei.«
»Gewiß«, versprach ich ihm.
»Ihr könnt morgen früh die
Schmetterling
nehmen, wenn Ihr wollt.«
»Vielen Dank.«
Die
Schmetterling
war sein Segelboot.
»Ehe Ihr geht«, sagte er, »möchte ich Euch bitten, mein Sehglas zu nehmen, den Turm zu ersteigen, und einmal ins Tal Garnath zu schauen.«
»Was gibt es dort zu sehen?«
Er zuckte die Achseln.
»Das müßt Ihr Euch schon selbst zusammenreimen.«
Ich nickte.
»Also gut, ich tu´s!«
Dann begannen wir uns angenehm zu betrinken und legten uns schließlich zu Bett. Der alte Jopin würde mir fehlen. Abgesehen von Rein war er der einzige Freund, den ich seit meiner Rückkehr von der Schattenerde gefunden hatte. Ich dachte an das Tal, das eine Flammenhölle gewesen war, als wir es durchquerten. Was mochte daran so ungewöhnlich sein – jetzt, vier Jahre später?
Heimgesucht von Träumen über Werwölfe und Sabbate schlief ich tief die ganze Nacht, und der Vollmond stieg über der Welt auf.
Beim Einsetzen der Dämmerung stand ich auf. Jopin schlief noch. Darüber war ich froh, denn ich hätte mich nur ungern von ihm verabschiedet; außerdem hatte ich das seltsame Gefühl, daß ich ihn nie wiedersehen würde.
Ich erstieg den Turm und betrat den Raum mit dem großen Licht, das Fernglas in der Hand. Ich ging zum Fenster, das zur Küste hinüberschaute, und richtete das Fernglas auf das Tal.
Nebel hing über dem Gehölz, ein kaltes, feucht aussehendes graues Gewebe, das sich an die Spitzen der kleinen, verkrüppelten Bäume klammerte. Die Bäume warendüster, und ihre Äste verhakten sich ineinander wie die Finger ringender Hände. Dunkle Gebilde huschten dazwischen umher, und aus ihren Bewegungen schloß ich, daß
es
sich nicht um Vögel handelte. Wahrscheinlich waren es Fledermäuse. In dem Riesenwald machte sich etwas Unheimliches und Böses bemerkbar, das erkannte ich nun – und plötzlich erkannte ich die Empfindung.
Ich selbst
lauerte dort. Meine Rache begann Gestalt anzunehmen!
Mein Fluch hatte diese Veränderung bewirkt. Ich hatte das friedliche Garnath-Tal in seine heutige Form gebracht: ein Symbol meines Hasses auf Eric und all die anderen, die es zugelassen hatten, daß sein Machthunger gestillt wurde, die es zugelassen hatten, daß ich das Augenlicht verlor. Dieser Wald gefiel mir ganz und gar nicht, und während ich hinüberstarrte, erkannte ich, wie sehr mein Haß dort schon Gestalt gewonnen hatte. Ich wußte es, weil die Erscheinungen dort ein Teil meiner selbst waren.
Ich hatte einen neuen Eingang zur wirklichen Welt geschaffen. Garnath war ein neuer Weg durch die Schatten. Durch düstere, böse Schatten. Nur die Gefährlichen, die böse Denkenden mochten diesen Weg beschreiten. Hier lag der Ausgangspunkt der
Dinge,
von denen Rein gesprochen hatte, jener Dinge, die Eric zu schaffen machten. Das war auf eine
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