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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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verschlossen. Etwa dreihundert Meter hinter mir befand sich ein kleines Pier. Zwei Boote waren dort vertäut – ein Ruderboot und ein geschlossenes Segelboot. Die beiden Boote schwankten leicht auf den Wellen, und das Wasser hinter ihnen schimmerte grau in der Sonne. Ich verharrte einen Augenblick, um den Anblick zu genießen. Es war so lange her, daß ich überhaupt etwas gesehen hatte, und so kamen mir die beiden Boote eine Sekunde lang fast überwirklich vor. Ich mußte ein Schluchzen unterdrücken, machte kehrt und klopfte an die Tür.
    Nach längerer Zeit wiederholte ich das Klopfen.
    Endlich hörte ich ein Geräusch von innen, und die Tür schwang auf; die Scharniere quietschten.
    Leuchtturmwächter Jopin musterte mich mit blutunterlaufenen Augen. Sein Atem stank nach Whisky. Er war etwa fünfeinhalb Fuß groß und ging dermaßen gebückt, daß er mich an Dworkin erinnerte. Sein Bart war so lang wie der meine und rauchfarben, bis auf einige gelbe Flecke in der Nähe seiner ausgetrocknet wirkenden Lippen. Seine Haut hatte Poren wie eine Apfelsinenschale; Wind und Wetter hatten sie gegerbt, daß sie wie das Furnier eines wertvollen alten Möbelstücks aussah. Die dunklen Augen waren zusammengekniffen, konzentrierten sich auf mich. Wie so mancher Schwerhörige sprach er übermäßig laut.
    »Wer seid Ihr? Was wollt Ihr?« fragte er.
    Wenn ich in meinem Zustand schon unkenntlich war, wollte ich meine Anonymität auch wahren.
    »Ich bin ein Reisender aus dem Süden, kürzlich mit meinem Schiff verunglückt«, erwiderte ich. »Ich konnte mich viele Tage lang an einem Holzstück festhalten und wurde schließlich hier an Land geschwemmt. Ich habe den ganzen Vormittag am Strand geschlafen. Erst vor wenigen Minuten konnte ich mich dazu aufraffen, zum Leuchtturm zu kommen.«
    Er trat vor und packte mich am Arm. Den anderen legte er mir um die Schultern.
    »Dann kommt rein, kommt rein«, sagte er. »Stützt Euch auf mich. Vorsichtig! Hier entlang.«
    Er führte mich in sein Quartier, das ziemlich unaufgeräumt war – voller alter Bücher, Seekarten, Landkarten und nautischer Geräte.
    Da er selbst nicht allzu sicher auf den Beinen war, stützte ich mich kaum auf ihn – nur soviel, daß der Eindruck von Schwäche bestätigt wurde, den ich an der Tür zu erwecken versucht hatte.
    Er führte mich zu einer Liege, sagte, ich solle mich niederlegen, machte die Tür zu und ging, um mir etwas zu essen zu holen.
    Ich zog die Stiefel aus, doch meine Füße waren so schmutzig, daß ich sie sofort wieder überstreifte. Wenn ich wirklich lange im Wasser gewesen war, wie ich behauptet hatte, konnte ich nicht so schmutzig sein. Da ich mich nicht unnötig verraten wollte, zog ich eine Decke über mich und streckte mich lang aus.
    Kurz darauf brachte mir Jopin einen Krug Wasser, einen Krug Bier, ein großes Stück Fleisch und einen Brocken Brot auf einem viereckigen Holztablett. Er fegte die Platte eines kleinen Tisches leer, den er dann mit dem Fuß neben die Couch schob, stellte das Tablett darauf ab und forderte mich auf, zu essen und zu trinken.
    Und das tat ich. Ich stopfte mich voll mit den herrlichen Sachen – bis zum Platzen. Ich aß alles, was er mir vorsetzte. Ich leerte beide Krüge.
    Dann war ich unendlich müde, Jopin nickte, als er meinen Zustand bemerkte, und forderte mich auf zu schlafen. Ehe ich wußte, was mir geschah, schlief ich bereits.
    Als ich erwachte, war es Nacht, und ich fühlte mich besser als seit vielen Wochen. Ich stand auf und verließ das Gebäude. Draußen war es kalt, doch der Himmel war kristallklar und schien von einer Million Sterne erfüllt zu sein. Die Linse an der Spitze des Turms blitzte hinter mir auf, wurde dunkel, blitzte wieder auf, verdunkelte sich erneut. Das Wasser war kalt, doch ich mußte mich dringend waschen. Ich badete und wusch meine Sachen und wrang sie aus. Darüber mußte eine ganze Stunde vergangen sein. Schließlich kehrte ich in den Leuchtturm zurück, hängte meine Sachen zum Trocknen über die Lehne eines alten Stuhls, kroch wieder unter die Decke und schlief weiter.
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, war Jopin bereits auf den Beinen. Er bereitete ein herzhaftes Frühstück zu, dem ich ebenso gründlich zusprach wie dem Abendessen tags zuvor. Dann lieh ich mir Rasiermesser, Spiegel und Schere und rasierte mich und verpaßte mir eine Art Haarschnitt. Anschließend badete ich noch einmal, und als ich schließlich meine salzig-steife, aber saubere Kleidung anzog, kam ich

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