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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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ihnen. Niemals würde der paranoide Baka den Namen eines Geschäftspartners auf seinem Handy speichern, genauso wenig wie der paranoide Alfredo Bakas Namen je seinen Kontakten hinzugefügt hat. Auf der Suche nach unbenannten Nummern klickt er sich durch die Liste. Er arbeitet schnell, hält sich das Telefon nah an die Brust, als wäre es ein mittelprächtiges Blatt beim Poker. Immer wenn ihm eine Nummer gefällt – wenn die Vier überwiegt, die Glückzahl seines Vaters – wählt er sie, obwohl er weiß, dass er nicht durchkommen wird. Wie der lebensmüde Trapezkünstler eines abgehalfterten Wanderzirkus hat auch Bakas Telefon kein Netz. Der Keller ist eine empfangslose Todeszone, aber Alfredo presst sich das Telefon trotzdem ans Ohr. Darin ist er mittlerweile Profi. Als sich, wie erwartet, keine Verbindung aufbaut, lässt Alfredo das Telefon zuschnappen und gibt es Baka zurück.
    »Keine Chance?«
    »Kein Netz.« Alfredo zuckt mit den Schultern, als wollte er andeuten, dass er es Baka nicht zum Vorwurf macht. »Willst du was trinken? Ein Yoo-hoo oder so?«
    Statt zu antworten, schaut Baka hinter Alfredo, wo sich ein Handgemenge entwickelt. Max Marshmallow verkrallt sich an Forest Hill Davids Ellbogen, während David, das Gesicht von einem hilflosen Grinsen verzerrt, seinen Arm wegziehen will. Max fällt ein Marshmallow aus dem Mund. Es haftet klebrig und zäh auf dem Kellerfußboden, ein eingedrücktes weißes Kissen. Den Mund geöffnet, schwer atmend, greift Max nach Davids Handgelenk, und wieder reißt sich David los. Dieses Spielchen – festklammern, sich befreien – spielen sie, bis sie bei Alfredo sind.
    »Hey, Dito«, sagt David. »Sag dem Opa mal, er soll seine Griffel wegnehmen.«
    »Ich hab ihn erwischt«, sagt Max, das Gesicht rot gefleckt. »Hab ihn erwischt. Er hat an den Kisten rumgefummelt und was gestohlen.«
    »Kannst gerne meine Taschen durchsuchen«, sagt David. Er breitet die Arme weit aus, wie ans Kreuz genagelt. »Kannst sofort meine Taschen durchsuchen.«
    Danke, verzichte. Alfredo hat sich mit dem Filzen der Hosentaschen anderer Leute schon genug Ärger eingehandelt – beziehungsweise mit dem Einsacken von Beepern. Stattdessen hält er Ausschau nach Sean Lau, dem Begleitdamenbegleiter. Vielleicht hat er ja gerade eine Nutte auf dem Rücksitz seines Wagens sitzen; Alfredo schwebt da ein Deal vor. Wenn er Max einmal Handbetrieb bezahlt – zwei Viagra wird er gratis draufpacken müssen –, lässt ihn der alte Knacker vielleicht mal für ein paar Minuten in Frieden. Aber Alfredo kann Sean nirgends entdecken. Anscheinend ist er wieder an die Arbeit gegangen, hat sich, ohne sein Bedauern zu bekunden, verdünnisiert. Was für Alfredos Party ganz schlecht ist. Wie ein Tresenfurzer, der mit Klopapier unterm Schuh aus der Toilette torkelt, hat Sean Lau den Bann gebrochen. Sollte ihn jemand gesehen haben – Die Type verzieht sich, scheißt auf den Hundekampf? –, dann wird sein Abgang lediglich der erste von vielen sein.
    »Die Zeit ist abgelaufen«, sagt Max. Er tippt auf seine Armbanduhr. »Sonst hab ich in zehn Minuten noch Punks hier, die mir die Bude ausräumen.«
    »Fick dich, Alter«, sagt David.
    Max seufzt, tief und leiderprobt. Mit nur einem Marshmellow in der Backe sieht sein Gesicht schief aus wie das eines Schlaganfallopfers. Er ist ein alter Mann, und Alfredo, der fünfzig Jahre jünger ist, ist neidisch. Neidisch auf die Falten und die Leberflecke, die rotgeränderten Augen, die violetten Adern auf seinen Händen, die falschen Zähne, die er nachts in warmem Wasser einweicht. Ach, denkt Alfredo, so lange leben, bis einem die Zähne im Mund zu Staub zerfallen!
    Lee, der den weiten Weg von Staten Island hierher auf sich genommen hat, klopft Alfredo auf die Schulter und reißt ihn aus seinen Träumereien. »Ich glaub, ich pack’s dann mal.«
    »Was? Jetzt schon? Der Scheiß hat doch noch nicht mal angefangen.«
    Lee zuckt mit den Schultern, ist zu höflich, um zu sagen, er habe seinen Arsch nicht den weiten Weg nach Queens befördert, um Dutches zu qualmen und sich Rick Sprinkles Geschichten anzuhören. Er ist wegen etwas Neuem hergekommen, dem Hundekampf, aber damit sieht es ja zunehmend unwahrscheinlich aus. Wenn er jetzt gehe und gleich den E kriege, schaffe er möglicherweise noch die Fähre um 2.30 Uhr nach Shaolin und komme möglicherweise noch ins Bett, bevor die Sonne aufgeht – Lee schwört bereits einen Eid, wie so viele vor ihm, nie wieder diese Weltreise nach Queens

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