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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Diana zur Treppe, so wie ein Distanzschütze beim Basketball erst im allerletzten Moment zum Korb schaut. Ihre Ohren ragen kerzengerade in die Luft. Ihr Körper versteift sich, der Schwanz hängt hakenförmig über dem Rücken wie der eines Skorpions. Alfredo würde am liebsten eine Auszeit nehmen. Aus dem Ring steigen, die Wettannahme eröffnen, etwas Zeit gewinnen. Er linst hinter sich, legt sich einen möglichen Fluchtplan zurecht, als der Hund ansetzt. Als sie auf ihn zu galoppiert, krümmt er sich zusammen. Schließt die Augen, bedeckt die Weichteile mit den Händen, aber da ist Diana bereits an ihm vorbeigesegelt. Sie tatzt auf einen Karton ein. Bellt, wieder und wieder, dabei schnellt jedes Mal ihr Kopf nach vorn und Speichel fliegt ihr aus dem Maul. Der Karton reißt auf. Suppendosen poltern Alfredo vor die Füße, ein Ausbruch aus dem Hühner-Nudel-Gefängnis. Diana weicht zurück, setzt erneut an, wirft den zornigen Körper gegen einen anderen Dosenstapel. Ihre Zähne sind gefletscht. Sie will raus aus dem Ring. Das spüren alle und weichen zurück, alle außer Alfredo, der wie gelähmt neben ihr steht, nah genug, um die Hitze ihres Atems zu fühlen. Noch immer hält er sich die Weichteile. Durch den Stoff der Jeans kneift er sich in die Eichel, um sich daran zu erinnern, dass er noch da ist. Dianas Bellen wird lauter. Sie brüllt Ich bin hier unten, du Wichser und warte, warte schon den ganzen beschissenen Abend .
    Die Herausforderung wird angenommen. Kein Trick der Akustik. Hier unten gibt es kein Echo. Diana bellt, und es wird zurückgebellt.
    Tariq kommt die Stufen herunter, eine straff gespannte Leine in der Hand. Ein Hund versucht, ihr zu entkommen, ein Pitbull, die Augen glühen und sind voller Zorn.
    Lee schiebt seine MetroCard zurück in die Geldbörse.
    B ei Verhören, zumindest bei denen, die Alfredo aus den Filmen kennt, die Isabel immer mit ihm sehen will, steht zwischen dem Fragesteller und dem Befragten für gewöhnlich ein langer Metalltisch. Beide sitzen auf Stühlen, damit der Fragesteller etwas hat, das er an die Wand werfen kann, wenn er sauer ist. Diese ist in der Regel kalt und grau, zumindest von der Anmutung her. Die Räume sind meistens entweder mit einem verschmierten Einwegspiegel oder einer Videokamera ausgerüstet, die leicht auszustöpseln ist. Das sind die Standards. Zu den Extras gehören Augenbinden, Lügendetektoren, grelles Neonlicht, Wasserspender, eine Schere zum Abschneiden des kleinen Fingers, Zahnarztutensilien, Drohungen gegen die Familie, Befragte, die aus dem Fenster hängen, und Russisch-Roulette-Partien, bei denen insgeheim die einzige Patrone entfernt worden ist. Dummerweise gibt es hier im Keller aus Alfredos Sicht weder Stühle, Fenster, Lügendetektoren noch Spiegel, ob nun ein- oder zweiwegig, und Tariqs Familie bedrohen kann er aus leicht ersichtlichen Gründen auch schlecht. Alfredo kann also bloß Fragen stellen und darauf hoffen, ehrliche Antworten zu bekommen.
    »Wo zum Henker warst du?«
    Der Hund ruckt mit dem Kopf vor und zurück, und seine gruselig-menschlichen Augen versuchen verzweifelt, ihren Höhlen zu entkommen. Tariq hält ihn direkt am Halsband, hockt sogar auf seinem Rücken, als ritte er auf einem mythologischen Tier, aber der Hund zieht ihn trotzdem nach vorn. Zentimeter um Zentimeter bewegen sie sich auf Alfredo und den Schäferhund am anderen Ende des Raums zu.
    »Mannomann«, sagt Tariq, voller Bewunderung für seinen Hund. »Sieh dir nur an, wie stark er ist.«
    »Wo«, sagt Alfredo, »bist du gewesen?«
    »Entschuldige«, sagt Tariq. »Kann dich nicht verstehen. Kannst du etwas näher kommen?«
    Alfredo bleibt, wo er ist. Er brüllt, damit man ihn über das Bellen hinweg hören kann.
    »Ah«, sagt Tariq. »Jetzt hab ich dich verstanden. Wo ich gewesen bin? Zu Hause bin ich gewesen. Bei der Family. Da, wo du mich abgesetzt hast.«
    »Du warst zu Hause?«, sagt Alfredo. »Die ganze Zeit?«
    »Die ganze Zeit.«
    »Und was hast du gemacht?«
    »Gebetet!«, sagt Tariq, so als wollte er sagen: Was sollte ich wohl sonst tun? Seine Pupillen sind geweitet, groß und dunkel wie schmutzige alte Penny-Münzen. »War mit dem Beten heute ganz schön hinterher. Bei dem ganzen Gerenne.«
    »Hast du mit dem Beten angefangen, bevor oder nachdem du von dem Ecstasy genommen hast, das ich dir gegeben habe?«
    »Danach«, sagt Tariq. Sein Gesicht glüht. »Bist ein grandioser Blitzmerker, Dito. Bist, neben mir, der drittbeste Blitzmerker, den ich kenne.

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