Die Prinzen von Queens - Roman
anzutreten.
»Sehr gut«, sagt Max. »Verzieh dich. Und nimm deine Freunde mit. Haben das alle gehört? Der Hundekampf fällt aus!«
»Max«, sagt Alfredo. »Bitte.«
»Bitte am Arsch«, zischt Max. »Ich lass mich hier nicht für dumm verkaufen. Das ist mein Laden hier. Ich lebe hier. Kapierst du das? Wenn’s sein muss, ruf ich die Polizei.«
Gern würde Alfredo Max an den Schultern packen und ihm ins Gesicht brüllen. Denk doch mal eine Sekunde lang nicht an dich. Denk doch mal an Winstons Unversehrtheit. An Isabel, Christian Louis, die Zahnbürste mit den vertrockneten Borsten, die zu Hause auf mich wartet. Er würde Max am liebsten den Mund mit Klebeband verschließen, damit er endlich aufhört zu reden, und Dianas Maul auch, damit sie niemanden beißen kann, und die Augen der Brüder Hughes, damit er nicht hineinschauen muss. Und sollte dann noch etwas übrig sein, würde er Lee die Füße zusammenbinden, damit er dableibt, hier im Keller, wo Alfredo ihm Versprechungen in das kleine rosa Ohr flüstert. Sean ist weg, dann du und dann sind alle weg, deshalb kannst du nicht gehen, verstehst du? Hör mir also gut zu: Ich mach alles. Alles, damit ihr hierbleibt. Witze erzählen. Feuer schlucken. Teller drehen, auf den Händen laufen, mit Goldfischgläsern jonglieren.
»Warte mal«, sagt er zu Lee. »Bleib noch ne Minute. Ich bring die Sache in Ordnung.«
Wie vom Wetterfrosch versprochen, beginnt es zu regnen. Auf der metallenen Kellertür machen dicke Tropfen pling-ploing . Alfredo zieht sich das T-Shirt aus und pfeffert es auf den Boden, als wäre das dort oben eine ganz normale Dusche, keine meteorologische. Bei dem Tiefhang seiner Jeans schauen einige Zentimeter seiner Glücksbringer-Boxershorts heraus. Sie sind aus Seide und voller kleiner Teddybären, ein Geschenk von Isabel. Alfredo befürchtet, das die Schmusebärchen – besonders der mit der Fliege, der ein Eis schleckt – bei den achtzehn Gangstern, Kleinkriminellen und harten Hunden, die den Keller bevölkern, einige Ich-brech-ab! auslösen werden, aber was das betrifft, ist alles cool. Niemand beachtet seine Unterhose. Stattdessen widmen sie sich seinem Körperbau.
»Scheiße noch mal, Alfredo«, sagt Baka. »Du bist mir mal ein verflucht dürrer Motherfucker.« Bei seinen mehr als dreihundert Pfund könnte Baka als nicht gerade glaubwürdige Stimme gelten, aber sein Urteil ist konsensfähig. Die meisten der Typen da unten haben Alfredo noch nie ohne T-Shirt gesehen und wenn, so wie Winston, dann ist das lange, lange her – so zehnte Klasse, Sportunterricht. Keiner hätte erwartet, dass seine Rippen derart hervorstehen. Er so schmale Schultern hat. »Tu mir den Gefallen und dreh dich zur Seite«, sagt Baka. »Ich will sehen, ob du verschwindest.«
»Ja, ja«, sagt Alfredo.
Die Typen im Keller wollen wissen, ob er halb Puerto Ricaner und halb Äthiophier ist, ob seine Brustwarzen sich berühren, er in der Dusche hin- und herrennen muss, um überhaupt nass zu werden, und ob sein Schlafanzug nur einen Streifen und sein Gürtel nur ein Loch hat. Normalerweise spielt mit Alfredo keiner dieses Spiel. Er ist selbst zu gut darin, zu schnell im Zurückfeuern, und hat keine Angst vor Gemeinheiten, die bis zur Schmerzgrenze gehen. Aber heute Abend hat er keine Lust.
»Okay, macht’s euch bequem«, sagt er. Er geht zu dem provisorischen Kampfring, wo Diana platt und reglos auf dem Boden liegt, sich den Bauch am Beton des Kellerbodens kühlt. Alfredo laufen Schweißtropfen über die Rippen. Er steigt über einen Karton hinweg und setzt zaghaft einen Fuß in den Ring. »Ich werde gegen den Hund kämpfen.«
»Du wirst gegen unseren Hund kämpfen?«, sagt Alex.
Alfredo zuckt mit den Schultern. »Wenn das für euch okay ist.«
Bam-Bams Augenbrauen berühren den Haaransatz. Im Namen seiner Brüder, des lebenden und des toten, sagt er: »Äh, klar. Hau rein.«
Diana steht mit wackeligen Beinen auf. Sie gähnt, und während ihr das Maul offen steht und die Zunge heraushängt, kann Alfredo tief hineinschauen, sieht die dunklen Ränder, den fleischigen Punchingball hinten in ihrem Rachen. Er hätte jetzt gern seine schädelspaltenden Timberlands an statt dieser Bowlingschuhe, die so gar keinen Wumms haben. Wenn er ausrutscht – wenn, dann sicher auf Blut, womöglich seinem eigenen –, sollte er seinen Körper fötal einrollen, den Nacken mit den Fäusten schützen und warten, bis einer, irgendjemand, ihm die Hand reicht und ihn rettet. Statt auf ihn schaut
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