Die Prinzen von Queens - Roman

Gesichtszüge verschwimmen, und wo – falls Tariq Winstons ausgestrecktem Zeigefinger korrekt folgt – der Guyaner aus dem Park den Block entlangläuft, den stattlichen braunen Pitbull an seiner Seite.
    »Das ist dein Hund«, sagt Winston und drückt, nach Gras miefend, Tariq fest an sich. »Hast du schon mit Alfredo gesprochen? Wir haben schon die ganze Woche versucht, einen Hund für dich aufzutreiben. Eine Art Geschenk. Für den Hundekampf heute Abend. Die Willkommensparty. Du hast schon mit Alfredo gesprochen, oder? Ich sag Dir, nach genau so einem Hund wie dem haben wir gesucht. Und plötzlich, paff. Yabba-dabba-doo. Verstehst du, was ich meine? Ein Pitbull. Direkt gegenüber.«
    Der guyanische Typ hält seinen Hund an der kurzen Leine. Der Pitbull trottet oder trippelt nicht neben ihm her. Der Hund stolziert. Er stolziert mit hoch erhobenem Kopf, wie ein Mann. Zwischen seinen Beinen baumelt ein beindruckendes Paar leuchtend roter Eier.
    »Wie ein Wink Gottes«, wispert Winston. Er zieht das Plastiktütchen mit den Pillen aus der Hosentasche. Er langt hinein – ohne darauf zu achten, was er erwischt – und holt eine kleine weiße Pille heraus, die er sich auf die Zungenspitze legt. »Willst du auch eine?«, fragt er, aber bevor Tariq nein sagen kann, hat Winston das Tütchen bereits wieder verschlossen und in die Tasche gesteckt. »Ich hör mit Drogen auf«, sagt er. »Morgen geht’s los.« Er schließt die Augen, kneift sich in die Nasenwurzel. »Jetzt steh ich hier, ausgerechnet mit dir, zum Henker noch mal, und auf der anderen Straßenseite läuft einfach so ein Pitbull, dein Pitbull. Weißt du, dass ich und Alfredo die ganze Woche nach genau so einem Hund gesucht haben? Gestern Nacht haben wir einen schönen gefunden, einen Dobermann, aber der war hinter einem Zaun und wir sind nicht an ihn rangekommen. Die ganze Woche. Kein Glück. Und jetzt steh ich hier mit dir, zwölf Stunden vor dem Kampf und …« Er schüttelt den Kopf. »Als würden die Götter lächeln. Als wär das Universum auf unserer Seite. Verstehst du?«
    Tariq versteht genau. Auf der anderen Straßenseite entfernen sich Hund und Mann, nähern sich der Kreuzung. Sie warten an der Ampel auf Grün, lassen die Autos vorbei, gehen dann weiter, zügig den Northern Boulevard entlang. Im Abstand eines ganzen Blocks, Größe Randbezirk, nehmen Winston und Tariq die Verfolgung auf.
    » A uf die Schuhe gucken«, sagt Tariq.
    »Auf die Schuhe gucken«, wiederholt Winston.
    »Auf keinen Fall auf den Hinterkopf. Das spüren die Leute. Die Kopfhaut juckt, frag mich nicht. Aber wenn der Typ Blicke am Hinterkopf spürt, dreht er sich um, und wenn er sich umdreht…«
    »Sind wir geliefert«, sagt Winston. Sie gehen im Gleichschritt, nicht schneller oder langsamer als Mann und Hund einen Block vor ihnen. »Also, gucken wir ihm lieber auf die Schuhe«, sagt Winston. »Kapiert.«
    »Denn auf den Schuhen hat noch keiner Blicke gespürt.«
    »Und dieser Typ geht ganz sicher nirgends hin ohne seine Füße.«
    »Ganz genau!«, sagt Tariq und grinst. Er ist gut drauf. Er ist besser drauf als den ganzen bisherigen Tag. »Ist nur ein kleiner Trick, klar. Aber ich sag’s dir, Winston – mit den kleinen Tricks hat man die Nase vorn.«
    »Hast du das im Bau gelernt?«, fragt Winston.
    Tariq schüttelt den Kopf. Im Gefängnis musste er niemanden verfolgen, weil er schon wusste, wohin alle gingen: Sie hatten dasselbe Ziel wie er. Nein, Leute beschatten, ohne ertappt zu werden, hatte er hier in Queens gelernt, lange bevor er eingelocht wurde. An Freitagabenden hatte er sich immer mit Gio und Conrad getroffen – die ihre Haftstrafen in Otisville bzw. Altona abbrummten –, und die drei hefteten sich den Bauarbeitern an die Fersen, die aus dem 7er stolperten, die Jeans farbverschmiert, die Taschen voller Zahltagskohle und das Blut mit Budweiser verdünnt. Guckt auf die Schuhe, hatte er Gio und Conrad ermahnt. Verrückt, oder? Jahre später, und er labert noch immer den gleichen Dünnpfiff.
    Mann und Hund biegen um die Ecke, verschwinden zum allerersten Mal aus dem Blickfeld. Winston will ihnen hinterherrennen, aber Tariq packt ihn am T-Shirt. Mahnt zu Geduld. Erklärt, dass der Typ möglicherweise gleich hinter der Straßenecke angehalten hat, um mit einem Nachbarn zu schwatzen oder einen Haufen vom Gehsteig zu schaufeln, und wenn Tariq und Winston sich zu sehr beeilten, würden sie direkt in ihn hineinlaufen oder müssten an ihm vorbei, was sie ihre vorteilhafte