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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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    Und wetteilet nach der Verzeihung eures Herrn und einem Garten, dessen Land (weit ist wie) die Himmel und die Erde, bereitet für die Gottesfürchtigen, Die da spenden in Freud’ und Leid und den Zorn verhalten und den Menschen vergeben.
    »Entschuldige«, sagt Tariq und schüttelt den Arm des Jungen von den Schultern. Er geht, lässt die Stücke unberührt auf dem Tresen liegen.
    Draußen kehrt das Schwindelgefühl zurück. Es läuft ihm ins Ohr, in den Hals. Minisonnen wabern über seine Netzhäute. Sie bersten, diese Sonnen. Bersten und hinter seinen Augen wallt Blut auf. Er würde sich hinsetzen, wenn er könnte, wenn die Straße nicht nach Pisse und vergammelten Früchten riechen würde, die Gehsteige nicht völlig zugemüllt wären. Müll, wohin er auch schaut. Er liegt in den Rinnsteinen, auf der Straße, quillt aus den Abfalleimern an den Ecken, stapelt sich auf den Bordsteinen zu Pyramiden aus schwarzen Säcken. In einem dieser übervollen Säcke klafft ein Schnitt. Fliegen summen um das Loch herum. Braune Flüssigkeit sickert auf den Gehsteig. Tariq starrt auf das Loch in dem Müllsack und wartet fast darauf, dass ein Baby herausfällt, das Bäuchlein aufgekratzt von rotäugigen Ratten.
    Der schwarze Junge ist Tariq nach draußen gefolgt und will wissen, ob alles in Ordnung sei, ob er was tun könne.
    »Verzieh dich«, sagt Tariq.
    »Erinnerst du dich nicht mehr an mich?«
    »Verzieh dich.«
    Der Junge geht einen Schritt zurück, um sich Tariq zu zeigen. Er breitet die Arme aus, was sie zum Schwabbeln bringt. Von der Größe her ist er ist ein Mann – Größe XXL –, und dennoch könnte Tariq ihn einfach so plattmachen. Ihm die bescheuerte Spiderman-Kappe vom Kopf hauen, das Auge eindrücken und den Kopf auf den Bordstein knallen. Er trägt ein stylisches Rocawear-Shirt – weit geschnitten, dennoch sind die Umrisse seiner Specktitten zu sehen –, das, findet Tariq, sehr gut zu seiner Rocawear-Jeans passen würde. Er fragt sich, was Isabel wohl von dem Shirt halten würde.
    »Erkennst du mich denn überhaupt nicht mehr?« Der Typ nimmt die Spiderman-Kappe ab und präsentiert Tariq seine Schädeldecke, auf der die Haare nur fleckenweise wachsen.
    »Winston?«, sagt Tariq. Der Junge lächelt und setzt schnell die Kappe wieder auf. »Bist ganz schön riesig geworden.«
    »Fett bin ich geworden. Aber du – dir haben sie ja richtig einen verpasst. Will nicht wissen, wie es dem Typen geht, der dir die Fresse aufgeschnitten hat.«
    »Wo hast du das Shirt her?«
    »Gefällt’s dir?« Er zieht es am Saum herunter, damit sie es beide besser sehen können. Das Shirt spannt, Winstons Brüste zeichnen sich nun noch deutlicher ab. »Hat Alfredo mir vor einer Weile gekauft«, sagt er. »Hey, hast du Alfredo überhaupt schon gesehen? Warst du überhaupt schon zu Hause?
    »Gib mir das Shirt.«
    »Schick, oder?«
    »Gib her.«
    »Was?«, sagt er. Er versucht zu lächeln. Die eine Gesichtshälfte sieht trocken aus, aber die andere schwitzt. Große, perlenartige Tropfen laufen ihm das Gesicht hinunter. Er neigt den Kopf Richtung Schulter und wischt es mit dem T-Shirt-Ärmel ab. Als er Tariq wieder ansieht, wird sein Lächeln breiter, geht schließlich übers ganze Gesicht. »Da hast du mich aber erwischt. Eine siedend heiße Sekunde hast du mich echt gehabt. Gib mir das Shirt meint er. Ha ha. Du bist gut, Jose. Entschuldige, entschuldige. Tariq. Du bist gut, Tariq.« Noch immer grinsend schüttelt Winston den Kopf und schaut in die Gegend wie der Naive in einer Sitcom, als wollte er sagen: Dieser Typ, einfach unglaublich. Plötzlich allerdings weiten sich seine Augen. »Heilige Scheiße!«, sagt er und zeigt an Tariq vorbei. »Guck dir das mal an!«
    Tariq vermutet einen lahmen Schulhoftrick. Aber nein. Winston rennt nicht weg. Vielmehr kommt er näher, legt noch einmal seinen Arm um Tariqs aufgepumpte Schultern. Er dreht ihn herum und zeigt auf die andere Straßenseite, wo es aus den offenen Fenstern eines Camaro HOT 97 schallt, wo zwei Isabels in schulterfreien Tops auf dem Gehweg tanzen und das Eis in Tariqs Kehle zum Schmelzen bringen und wo hinter dem Schaufenster eines Möbelladens ein Sofa in kissenloser, herzzerreißender Einsamkeit auf die Straße starrt und wo Mister Softees Eiswagen vorbeifährt und Tariq für einen Moment die Sicht nimmt und wo ein schwarzes Kind ein Fahrrad mit zwei platten Reifen schiebt und wo Isabel in eine jamaikanische Fleischtasche beißt, von deren Dampf ihre

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