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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Position kosten, aus ihnen, den Verfolgern, Verfolgte machen würde.
    »Entspann dich«, sagt Tariq. Er deutet auf die Isabels, die rechts und links an ihnen vorbeilaufen. Zeigt auf einen Ahornbaum, unter dem Tauben an trockenen Brotrinden herumpicken. »Mach dich locker, Bruder. Genieß einfach die Aussicht.«
    Als sie schließlich selbst um die Ecke biegen, sehen sie Mann und Hund einen halben Block entfernt. Der Typ hat dem Hund nun mehr Spiel gegeben. In der freien Hand klimpert er mit einem Schlüsselbund. Der Hund biegt scharf nach links ab, hält auf ein freistehendes Einfamilienhaus zu, das es so wohl nur in Queens gibt, und der Mann folgt ihm. Sie passieren den hüfthohen Zaun durch ein Gartentor und steuern, Mann und Hund, auf das Gärtchen hinter dem Haus zu.
    Winston und Tariq bleiben nicht stehen. Sie gehen am Haus vorbei, ohne hinzugucken. Sie laufen einmal um den gesamten Block, lassen sich Zeit und üben ihre Sätze. Wieder am Haus angekommen, biegen sie ebenso scharf nach links wie zuvor der Hund. Tariq öffnet den Riegel am Tor, als täte er das jeden Tag. Und wenn der Mann noch nicht ins Haus gegangen ist? Wenn er noch im Garten ist, sich auf einer Liege sonnt, Zinkoxid auf der Nase? Wir sind wegen der Party hier, würden sie sagen. Direkt nach hinten durchgehen, habe man ihnen gesagt. Sie wissen schon. Wegen der Grillparty, der kleinen Open-Air-Sause anlässlich des Yankees-Spiels gegen die Mets. Würstchen und Hamburger? Hier wohnen doch die Rosarios, oder? Wir sind hier doch richtig? Das ist doch die 83rd Street?
    Tariq hält Winston das Gartentor auf, der in Richtung Garten vorgeht. Überraschend ruhig latscht Winston einfach drauflos, anscheinend völlig angstfrei. Tariq ist beeindruckt. Mehr als beeindruckt: Tariq ist stolz. Er hatte erwartet, der Junge würde sich spätestens jetzt in die Hose kacken, aber dann erinnert er sich – mit einem Gefühl plötzlicher und beträchtlicher Enttäuschung –, dass Winston ja auf Drogen ist. Wahrscheinlich Angsthemmer. Xanax oder so was. Tja, und das ist genau das Problem mit diesen jungen Hüpfern. Angst kann nützlich sein. Runterschalten effektiv. Pass gut auf. Nimm dir Zeit.
    Der Garten ist vielleicht dreißig Quadratmeter groß, klein für einen Garten, aber um einiges größer als eine Gefängniszelle. Das Gras wächst wie das Haar auf Winstons Schädel, nur in Büscheln. Erde ist zu sehen. Angeknackste Tontöpfe säumen die Fläche. In den Töpfen wächst nichts als die weißen Plastikschildchen, die anzeigen, was wachsen sollte: Geranien, Ringelblumen, Petunien, Rosmarin. Es gibt weder eine Liege noch eine ausgedrückte Flasche Sonnencreme. In einer Ecke, unter einer Plane, hockt ein Grill. In einer anderen ein Kinderplanschbecken, das augenscheinlich nicht zu Freizeitzwecken gebraucht wird. Es springen keine Kinder ins Wasser oder spritzen sich gegenseitig nass. Stattdessen fungiert das Planschbecken offensichtlich als eine Art Riesenwasserschüssel für den einzigen Bewohner des Gärtchens, den Pitbull. Eine Metallkette verbindet das Halsband des Hundes mit einem stählernen, tief in der Erde verankerten Pfahl, und erlaubt ihm, den Beckenrand gerade so zu erreichen. Aber der Hund trinkt kein Wasser. Er sitzt mit zusammengepresstem Maul und angelegten Ohren zwischen den Grasbüscheln und beäugt Tariq und Winston.
    Vom Gärtchen führen Steinstufen zum Haus, die Tür steht halb offen. Fernsehgeräusche dringen nach draußen. Tariq versteht jedes Wort, als säße er bei dem Guyaner im Wohnzimmer auf der Couch, Beine auf den Couchtisch gelegt. Es läuft die Vorberichterstattung zum Mets-Yankees-Spiel, und die Moderatoren diskutieren nur ein einzige Thema: ob Clemens einen Ball an die Murmel bekommen wird, wenn er mit Schlagen dran ist, oder nicht.
    Nebenan, im Nachbargärtchen, bilden vier übereinandergestapelte Autoreifen eine Gummisäule. Am Zaun hängt ein Schild, das die beiden Parzellen trennt: Parken nur für Millionäre.
    Der Hund hebt den Kopf, um nach Winston zu schauen, der, die Hand zur Faust geballt, mit dem Arm ausholt, das eine Auge geschlossen, um nicht geblendet zu werden. Bevor er die Wurfbewegung zum Abschluss bringen kann, packt Tariq ihn am Arm. Er biegt Winstons Finger auseinander und entdeckt in der Hand eine winzige blaue Pille.
    »Was ist das?«
    »Schlaftablette«, flüstert Winston, als hätte er Angst, der Mann im Haus – oder sogar der Hund – könnte ihn hören.
    »Du willst dem Hund eine Schlaftablette

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