Die Prinzen von Queens - Roman
geben?«
»Nein, ich will dem Hund eine Schlaftablette zuwerfen . Ich darf dem Hund nicht so scheißviel Zeit geben. Ich werfe die Pille, er leckt sie auf. Falls nicht, besorgen wir uns ein paar Burger und packen die Pille…«
»Und dann schläft der Hund ein?«, sagt Tariq, die Hand noch immer fest um Winstons Handgelenk geschlossen. »Ja? Verstehe ich das richtig? Der Köter leckt die Pille auf und kippt dann aus den Latschen?«
»Korrekt.«
»Und dann? Warten wir, bis er einpennt? Sich in die Falle haut? Und dann? Willst du die Töle zu mir nach Hause tragen? Und wer soll ihn, nachdem du diesem vielleicht dreißig Kilo schweren Hund eine Schlaftablette verabreicht hast, die eigentlich für erwachsene Menschen gedacht ist, wieder zum Leben erwecken? Wenn er einmal pennt, wie sollen wir den je wieder wach kriegen?
»Also nicht die Pille werfen?«, sagt Winston. Tariq starrt ihn an, seine aschfahle Haut, die Spuckesprenkel, die ihm in den Mundwinkeln kleben.
»Tariq«, sagt Winston. »Du tust mir weh.«
Im Buch steht:
O ihr, die ihr glaubt, gehet nicht ein in Häuser, die nicht eure Häuser sind, bevor ihr um Erlaubnis gebeten und ihre Bewohner begrüßt habt. Solches ist besser für euch.
Doch, das klingt ziemlich eindeutig. Aber ein Garten ist kein Haus, weiß Tariq. Ein Garten ist ein Garten. Ein religiöses Hintertürchen? Keineswegs, sondern bloß Gesetz des Bundesstaates New York. Garten gleich unbefugtes Betreten, Haus gleich Einbruch. Das ist der entscheidende Unterschied, der auf beiden Seiten des Gesetzes wirksam ist: Ein Durchsuchungsbefehl, der den Zugang zu einem Wohnhaus zulässt, lässt nicht zwangsweise den Zugang zu dem das Wohnhaus umgebenden Grundstück samt etwaiger Garage, Zufahrt oder heruntergekommenem Gärtchen zu.
Tariq geht auf den Hund zu. Er hält die Hand ausgestreckt, Handfläche nach oben, Finger gespreizt. Unter seinen Füßen weicht das Pflaster nun Grasbüscheln und trockener Erde. Der Hund erhebt sich vom Boden und lehnt sich nach vorne auf die Vorderbeine. Beide Ohren stehen senkrecht in der Luft. Den Rücken durchgestreckt, verlässt Tariq nun den sicheren Bereich des Gartens, kommt in Reichweite des Hundes. Der Hund fixiert ihn. Im Haus geht der Fernseher aus, und die Stimmen der Baseball-Kommentatoren werden durch die Melodie des Mister-Softee-Eiswagens ein paar Blocks entfernt ersetzt. Der Hund spannt die Hinterläufe an. Er hat stecknadelgroße schwarze Pupillen. Er riecht fettig, was Tariq an die Pomade seines Vaters erinnert, und an die Flecken, die sie auf den Kopfkissenbezügen hinterlässt. Tariq horcht nach Schritten, die in Richtung Hintertür schlurfen. Er beugt sich in der Hüfte vor, und das Maul des Hundes klappt auf. Ein gelblicher Spuckefaden verbindet einen der oberen Fangzähne mit einem der scharfen unteren. Der Hund knurrt, tief und weit hinten in der Kehle. Mit geschlossenen Augen schiebt Tariq die Hand in die Hundeschnauze. Darin ist es dunkel, warm und feucht. Zähne pieksen ihn an den Knöcheln. Eine rauhe Zunge fährt ihm über die Handfläche. Der Hund reißt den Schädel zurück und, die Augen weit aufgerissen, leckt Tariq gierig die Fingerspitzen. Schleckt an seinem Handgelenk rum. Tariq steckt die andere Hand in das Hundemaul. Sollten sich noch Schokoladenreste zwischen seinen Finger befunden haben, so sind sie jetzt weg. Der Hund knabbert an dem Plastikarmband der Casio-Uhr herum. Guter Junge, guter Junge. Er presst den Schädel unter Tariqs Hand und lässt sich hinter den Ohren kraulen.
Der Karabinerhaken, mit dem die Leine am Metallpfahl befestigt ist, lässt sich leicht lösen. Als Tariq an der Leine zieht, drücken sich die Spitzen des Stachelbands dem Hund in den Hals. Tariq lässt es also.
Winston hat die Arme um sich geschlungen. Während er zusieht, wie Tariq und der Pitbull sich nähern, massiert er sie, drückt sich selbst so fest, dass an den Knöcheln die Adern hervortreten. Tariq wirft einen raschen Blick zurück zum Haus. Niemand erscheint in der Tür. Niemand kommt die Stufen heruntergestürzt. Als Tariq sich wieder umdreht, geht der Hund – als habe er darauf gewartet, wieder die volle Aufmerksamkeit seines neuen Herrchens zu haben – auf Winston los. Die Leine sirrt in Tariqs Hand. Winston weicht in eine Ecke zurück, der Hund hinterher, und reißt Tariq mit sich. Mit hervortretenden Augen, die Ohren nach vorn gestellt, schnappt er nach Winstons Wampe.
»Zieh ihn weg«, faucht Winston. Er stellt sich auf die
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