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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Frauen, die an glänzenden Auberginen schnuppern. Tariq greift nach einer Stuhllehne, als wollte er sich ihrer tatsächlichen Existenz vergewissern. Er hatte nie erwartet, dass die Zeit für ihn stehen bleiben, in sich erstarren würde, aber genauso wenig hatte er erwartet, dass die Stadt so vollkommen anders aussah, das Geld oder eben das Innere von Gianni’s Pizzeria. Niemals erwartet, dass so vieles sich so beschissen verändert hatte. Zumindest steht der vorsintflutliche Street-Fighter-II -Automat noch in der Ecke, um den sich eine Traube asiatischer Jugendlicher gebildet hat, um einem von ihnen, einem stachelhaarigen Koreaner, beim Kampf gegen einen massigen schwarzen Jungen zuzuschauen. Und am beruhigendsten ist, dass es Gianni noch gibt. Hält die Stellung hinterm Tresen und bearbeitet den Teig mit den Fäusten.
    Tariq bestellt zwei Stücke, extra heiß. Er hatte gehofft, Gianni ein »Hey, wo warst du denn?« zu entlocken. Oder ein »Schön, dass du wieder da bist!« Tariq fragt sich, ob Gianni ihn wegen der Wunde an der Wange und dem kahl geschorenen Kopf nicht erkennt – aber vielleicht ist es, sagt er sich, etwas zu viel verlangt, von Gianni Gastfreundschaft zu erwarten. Während die Stücke im Ofen Blasen werfen, präpariert Gianni ein Tablett, bedeckt es mit Wachspapier und legt drei Papierservietten daneben. Beruhigend, auch das etwas, das sich nicht verändert hat. Auf keinem der Tische steht ein Serviettenspender. Gianni, der alte Geizkragen, teilt alle Servietten selbst aus, um einen übermäßigen Papierverbrauch zu verhindern. Jeder bekommt drei – wenn er Glück hat –, und will man mehr, muss man Gianni darum bitten und mit seinem Geknurre rechnen.
    Tariq holt sein Geld heraus, als die Pizza aus dem Ofen kommt. Die Kruste ist schön verkohlt und blasig. Der Plan ist folgender: Tariq wird das Stück zusammenfalten, dabei die Spitze nach hinten klappen, damit das Öl nicht herausläuft. Er wird einmal, vielleicht zweimal, auf den Käse pusten. Dann wird er hineinbeißen und sich dermaßen den Gaumen verbrennen, dass er die nächsten vierundzwanzig Stunden voller Reue mit der Zunge die Haut abtasten wird. Na ja. Was soll man machen? Gianni schmeißt die Stücke auf das Tablett, und Tariq läuft das Wasser im Mund zusammen.
    »Genau vier Dollar«, sagt Gianni.
    »Ich will keine Cola.«
    »Ohne Cola. Vier Dollar.«
    »Vier Dollar?«, sagt Tariq. »Für zwei Stücke?«
    »Vier Dollar für zwei Stücke«, sagt Gianni.
    »Mein ganzes Leben lang gab’s ein Stück für eins fünfzig.«
    »Was willst du von mir hören? Willst du nun ein Stück?«
    »Du verstehst mich nicht. Ich hab Pizza-Bagel gegessen. Ketchup und Gummikäse auf getoastetem Bagel. Oder einem englischen Muffin.« Tariq sieht ihm ins Gesicht. »Ich möchte nicht ein Stück. Ein Stück bringt mir nichts. Ich möchte zwei, bitte. Für drei Dollar, bitte.«
    »Ein Stück, zwei Dollar. Zwei Stück, vier Dollar. Brauchst du einen Taschenrechner?«
    »Nein, danke. Ich möchte zwei Stück für drei Dollar, bitte.«
    Röte entspringt Giannis Nacken und klettert über Kinn, Schnäuzer und teigige Nase bis ganz nach oben zur Schädeldecke. Er wischt sich die mehlbestäubten Hände an seinem Kittel ab.
    »Hey!«, ruft jemand. Als sich Tariq umdreht, sieht er, dass die Stimme zu dem massigen schwarzen Jungen gehört, der gerade noch Street Fighter II gespielt hat. Der Typ kommt rüber und legt Tariq den Arm um die Schultern. »Hey, Gianni, nun sei mal nicht so streng mit ihm. Ist ein Freund von mir.«
    Gianni zeigt mit einem Nudelholz auf Tariqs Brust. »Er muss noch Manieren lernen.«
    »Ha ha«, sagt der schwarze Junge. Er verstärkt den Griff um Tariqs Schulter, drückt ihn noch fester an sich. »Wie gesagt, nun sei mal nicht so. Er ist gerade erst rausgekommen.«
    Würde Tariq sich umdrehen, um den Jungen anzuschauen, ihre Gesichter würden sich berühren. Der Junge könnte Tariq in den Mund atmen.
    »Hätte ich mir denken können«, sagt Gianni. Er spricht mit dem schwarzen Jungen, sieht aber nur Tariq an, ihre Köpfe schweben zu beiden Seiten des Tresens. »Du solltest deinen Freund hier mal daran erinnern, dass er nicht mehr im Bau ist. Muss mal seine Knastmentalität ablegen. Wenn du weißt, was ich meine. Hier draußen gibt es etwas, das man Benimm nennt.«
    »Ha ha«, sagt der Junge. »Werd ich ihm sagen. Werd ich ihm stecken.«
    Um sich den Weg aus der ihn umgebenden Dunkelheit weisen zu lassen, streckt Tariq unter Mühen beide Hände

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