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Die programmierten Musen

Die programmierten Musen

Titel: Die programmierten Musen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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nickte heftig und fast unaufhörlich, während sie sprachen, und bot ihnen mehr als einmal selbstvergessen eine Zigarre an. Auf Anraten seines Psychiaters ließ er sogar den primitiven Riegel entfernen, den Gaspard so mühsam angebracht hatte – nach der These, daß er in erster Linie eine symbolische Sicherung gegen kindliche Ängste war und keinen wirklichen Schutz gegen existente Gefahren darstellte.
    Flaxmans Bemühungen schlugen jedoch fehl, insbesondere weil die Eier von seinen Ängsten Wind bekamen und sich einen Spaß daraus machten, diese anzufachen – durch Schilderungen ihrer Operation (die große Operation, die Zukie durchgeführt hatte), durch genaue Beschreibungen, wie es sich anfühlen müßte, wenn er Nerv um Nerv von seinem Körper getrennt und sein Gehirn in einen Behälter eingeschweißt würde, oder durch improvisierte kleine Schreckensgeschichten, von denen sie behaupteten, sie kämen in ihren Romanen vor.
    Immer öfter stand Flaxmans Limousine für den Transport der Eier nicht zur Verfügung; der Wagen wurde für lange Beruhigungsfahrten durch die Santa-Monica-Berge benötigt.
    Cullingham war zunächst sehr geschmeichelt, daß so viele Eier seinen redaktionellen Rat suchten, aber als er dann erkannte, daß sie ihn nur aus der Reserve locken und sich über ihn mokieren wollten – etwa um seine geistigen Schaltknöpfe zu drücken und dann die geringe Anzahl dieser Knöpfe zu belachen –, war er offensichtlich noch mehr aus dem Gleichgewicht geworfen als Flaxman. An dem Morgen, für den Gaspard seinen Nervenzusammenbruch vorhergesagt hatte, erschien er mit einer neuen Sekretärin (in ihrem Fall galt die Sperre für neues Personal wohl nicht), die er als Miß Willow vorstellte und die – obwohl sie nur in Cullinghams Nähe saß und gelegentlich mit einem Stift über die Seiten eines kleinen schwarzen Notizbuches wieselte – einen wunderbar beruhigenden Einfluß auf seine Nerven zu haben schien.
    Miß Willow war eine schlanke, hochgewachsene, ins Auge fallende Schönheit, bei deren Anblick Gaspard zunächst der Atem stockte. Abgesehen von den etwas stärker ausgebildeten Hüften und Busen hatte sie die Figur eines Mannequins. Sie trug ein streng geschnittenes schwarzes Kostüm, nach oben hin von einem schwungvollen Haarschopf abgeschlossen, dessen Platinfarbe zu ihren Strümpfen paßte. Auch ihr bleiches Gesicht hatte die scharfknochige Mischung aus Intellektualität und Hochmut, die die Zauberinnen und Nymphen der Haute Couture kennzeichnet.
    Gaspard fühlte sich sofort zu ihr hingezogen. Verschmitzt machte er sich klar, daß Miß Willows Platin-Unterkühltheit, ein bißchen aufgetaut, vielleicht gerade richtig war, um ihn von seiner lächerlichen Zuneigung zur keck-zänkischen Schwester Bishop zu befreien. Zweimal traf er Miß Willow allein an und versuchte ein Gespräch anzuknüpfen – doch bei beiden Gelegenheiten ignorierte sie ihn völlig; es war fast, als wähnte sie sich allein im Zimmer.
    Gaspard dachte darüber nach und kam zu dem Schluß, daß sie wahrscheinlich Psychotherapeutin war und vermutlich ein schaurig hohes Honorar bekam; eine andere Erklärung für Cullinghams Errettung vor dem Nervenzusammenbruch gab es einfach nicht. Zu dieser Theorie paßte auch das schwarze Notizbuch und die Tatsache, daß sich Flaxman – zu allen übrigen Ängsten – auch noch vor Miß Willow zu fürchten schien. Der Neurotiker schrickt leicht vor allen Psychiatern außer seinem eigenen zurück. Jedenfalls war Flaxman in ein nebenan liegendes, kleineres Büro umgezogen.
    Wenn Gaspard nicht so schwer hätte schuften müssen, wäre er wahrscheinlich seinerseits auf die Suche nach einem Menschenpsychiater oder Robottherapeuten gegangen; sein einstmals friedliches, eingefahrenes Nervenkostüm entwickelte neuerdings seltsame Spitzen und gewaltige Löcher. Er fragte sich, welch verrückte Libido das sein mußte, die ihn monatelang die körperlichen Wonnen einer üppigen Heloise Ibsen zur Neige und zum Überfließen auskosten ließ und die ihn jetzt unterwürfig an ein Mädchen kettete, das kaum etwas anderes tat als ihn zu schikanieren und auszuschelten. Auch machte ihm der Gedanke an seine Phantasie zu schaffen, die sich in jahrelangen Abend- und Badezimmersitzungen durch die Ersatzabenteuer des Wortschmalzes begeistern und trösten ließ, wovon ihm jetzt als einzige konkrete Erinnerung ein sinnloser rosa Nebel geblieben war. Auf ganz anderer Ebene beunruhigte ihn zunehmend ein Gefühl der Verantwortung

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