Die programmierten Musen
waren, als die schlimmsten Pessimisten bisher befürchtet hatten, wenn die beiden feindlichen Gruppen schon davon ausgingen, daß Zane der Schlüssel zu den neuen Aktivitäten im Raketen-Verlag war, und mit ihm allein verhandeln wollten. Gaspard war ein wenig beleidigt. Niemand hatte es für nötig befunden, auch ihm einen Drohbrief zu schreiben. Bisher hatte auch niemand versucht, ihn zu entführen. Es war doch zu erwarten, daß wenigstens Heloise, in Anbetracht ihrer früheren Beziehung … aber nein, die launische Autorin hatte Cullingham entführt.
» Surr-ho ! Ich hab’s geschafft, ich hab’s geschafft!«
Gaspard wurde von hinten ergriffen und von Zane Gort, der wie ein Wirbelwind aus dem Nichts auftauchte, herumgeschleudert.
»Hör auf, Zane!« befahl Gaspard. »Reiß dich zusammen. Flaxman und Cullingham sind entführt worden !«
»Ich hab jetzt keine Zeit für Kleinigkeiten«, rief der Roboter und ließ ihn los. »Ich hab’s geschafft, sag ich dir. Heureka !«
» Miß Rosa ist ebenfalls entführt worden !« brüllte Gaspard. »Hier sind die Erpresserbriefe – adressiert an dich !«
»Lese ich später«, sagte der Roboter und stopfte sie in ein aufspringendes Fenster an seiner Flanke. »Oh, ich hab’s geschafft, ich hab’s geschafft! Jetzt muß ich schleunigst mit der Universität abstimmen!« Und er hüpfte in die Limousine und jagte rasant damit davon.
34
»Bei Judas! Was ist denn in den gefahren?« fragte Joe und zupfte kopfschüttelnd an seinem weißen Zottelhaar, während die Limousine wie ein Radarpunkt verschwand.
Stirnrunzelnd kehrte Gaspard in das Gebäude zurück und rief die Station an. Schwester Bishop meldete sich. Sobald er zu sprechen begann, unterbrach sie ihn. »Es wird aber auch Zeit, Sie Herumtreiber!« schalt sie. »Ein Dutzend Bälger schreit schon nach Papier. Alle sagen, sie hätten gerade ihre besten Ideen und könnten sie nicht aufschreiben! Wir brauchen die Rollen!«
»Hören Sie, Bishop, wir stecken im Schlamassel! Die Chefs sind entführt worden. Keiner weiß, wer als nächster an der Reihe ist. Außerdem ist Zane Gort verrückt geworden. Ich möchte, daß Sie …«
»Ach, halten Sie den Mund, Gaspard! Sie können ja nur meckern! Schaffen Sie uns die Rollen herüber, und zwar schleunigst !«
»Na gut!« schnaubte Gaspard. »Und Kaffee bringe ich gleich mit!« Er legte auf.
»Wollen Sie die Polizei anrufen?« wollte Joe wissen.
»Halt’s Maul!« brüllte Gaspard. Doch der Ausbruch befreite ihn nicht von dem Gefühl des Ekels, das ihn erfüllte. »Hören Sie, Joe, ich gehe jetzt in Mr. Cullinghams Büro und nehme mir Miß Willow vor – und denke über die Sache nach. Wenn ich die Polizei anrufe, mache ich das von oben. Sie halten hier die Stellung.« Er trat auf die Rolltreppe und drückte den Knopf. »Und, Joe«, fügte er hinzu und hob mahnend den Finger, »ich möchte nicht gestört werden.«
Im großen Büro angekommen, doppelriegelte Gaspard zunächst durch Knopfdruck von Cullinghams Tisch aus sämtliche Türen. Dann rieb er sich frohloc kend die Hände und wandte sich zu Miß Willow um, die noch immer kühl und gelassen dasaß.
»Hallo, Mama«, sagte er wohlig-gedehnt, »Mama hat einen neuen Papa.«
Fünf Minuten später kam er zu dem Schluß, daß die Femmequin entweder nur durch Cullinghams Stimme aktiviert wurde (da würde er sich eine Aufzeichnung beschaffen müssen) oder durch ein Schlüsselwort, das er noch nicht gefunden hatte.
Oder – welch Tragödie – sie war einfach abgelaufen.
Nein, das schien kaum möglich, denn ihre herrliche Brust hob und senkte sich regelmäßig im Rhythmus eines simulierten Atems, die violetten Augen blinzelten alle fünfzehn Sekunden (er stoppte die Zeit), während sie sich einmal in der Minute mit der Zunge über die Lippen fuhr.
Er beugte sich über sie. Selbst aus nächster Nähe war es kaum zu fassen, daß sie keine wirkliche Frau war – ihre Haut war perfekt nachgebildet und hatte an den Unterarmen sogar winzige silbrige Haare. Er atme te einen Hauch des Parfüms Schwarze Galaxis. Zögernd begann er den Reißverschluß ihrer engen schwarzen Jacke zu öffnen.
Da begann Miß Willow zu knurren wie ein großer und gefährlicher Wachhund, tief drinnen in der Brust.
Als er hastig zurückwich, trat Gaspard gegen einen Aktendeckel, der ein paar Zentimeter zur Seite rutsch te. In kühnen Lettern war »Miß T. Willow« darauf geschrieben. Er nahm den Aktenhefter auf. Wenn er Papiere enthalten hatte, so lagen sie
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