Die Propeller-Insel
erhält man durch eine zweite, und unter gleich günstigen Bedingungen verlaufende Beobachtung als Resultat für die Länge
179°32’ östl. von Paris.
Seit Standard-Island also eine Beute der wahnsinnigen Drehbewegung war, ist es durch Strömungen gegen tausend Meilen weit nach Südosten getrieben worden.
Nach Eintragung der genauen Lage auf der Karte erkennt man folgendes:
Die nächsten, doch immer noch gegen hundert Meilen entfernten Inseln bilden die Gruppe der Kermadeck… öde, kaum bewohnte und aller Hilfsquellen baare Felsen, und auch nach diesen konnte man sich nicht hinbewegen. Dreihundert Meilen südlicher liegt Neuseeland… Doch wie dahin gelangen, wenn die Strömung nach dem hohen Meere zu verläuft? Fünfzehnhundert Meilen im Westen befindet sich Australien, und einige tausend Meilen weit im Osten Südamerika, genauer etwa Chile. Jenseits Neuseelands breitet sich die Eiswüste des Antarktischen Polarmeeres aus. Soll es Standard-Island beschieden sein, an dessen unwirthlichen Küsten zu zerschellen? Sollten später dahinkommende Schiffer eines Tages die Ueberreste einer ganzen, vor Elend und Hunger umgekommenen Bevölkerung auffinden?
Der Commodore Simcoë ist bemüht, die Strömungen dieser Meeresgegend aufs eingehendste zu studieren. Was wird geschehen, wenn jene sich nicht ändern, wenn sie keine entgegengesetzte Strömung treffen, wenn einer der furchtbaren Stürme losbricht, die in circumpolaren Gegenden so häufig sind?
Diese Fragen sind gewiß geeignet, neue Unruhe zu erwecken. Die Geister lehnen sich mehr und mehr auf gegen die Urheber des Unglücks, gegen die Nabobs von Milliard-City, die für dessen Lage verantwortlich sind. Es bedarf des ganzen Einflusses des Königs von Malecarlien, der ganzen Energie des Commodore Simcoë und des Colonel Stewart, der ganzen Ergebenheit der Officiere und deren ganzer Autorität über die Seeleute und die Soldaten der Miliz, um eine Empörung zu verhüten.
Ohne Aenderung schleichen die Tage dahin. Jedermann hat sich bezüglich der Ernährung auf die festgesetzten Rationen beschränken müssen – die reichsten Leute ebenso gut wie die übrigen.
Der Wachdienst wird inzwischen mit peinlichster Aufmerksamkeit gehandhabt und der Horizont sorgfältig abgesucht. Wenn ein Schiff auftauchte, würde man ihm ein Signal geben, und vielleicht würde es dadurch möglich, die unterbrochnen Verbindungen mit der übrigen Welt wieder herzustellen. Leider treibt die Propeller-Insel außerhalb der Schiffsstraßen und es sind immer nur sehr wenige Fahrzeuge, die die Grenzgewässer des Antarktischen Meeres kreuzen. Und da unten im Süden steigt vor dem Auge der erhitzten Phantasie das Gespenst des Poles auf, über den sich der vulcanische Lichtschein vom Erebus und vom Terror verbreitet.
In der Nacht vom 3. zum 4. April ereignete sich einmal ein glücklicher Umstand. Der seit einigen Tagen sehr heftige Nordwind flaute plötzlich ab. Es folgt ihm eine Windstille und dann springt der Wind unerwartet von Südost auf in Folge einer atmosphärischen Laune, wie sie um die Zeit der Tag-und Nachtgleichen ja so häufig sind.
Der Commodore Simcoë schöpft wieder etwas Hoffnung. Es genügt, daß Standard-Island nur etwa hundert Seemeilen nach Westen verschlagen wird, wo es dann eine Gegenströmung nach Australien oder Neuseeland führen würde. Jedenfalls ist seinem weitern Abtreiben nach dem Polarmeere zu Einhalt gethan, und damit rückt die Wahrscheinlichkeit, einem Schiffe in der Nähe der großen australasischen Länder zu begegnen, entschieden näher.
Mit Sonnenaufgang hat die Südostbrise merkbar aufgefrischt, und deutlich empfindet Standard-Island ihren Einfluß. Seine Hochbauten, das Observatorium, das Stadthaus, der Tempel und die Kathedrale bieten dem Winde immerhin einige Angriffspunkte. Sie vertreten die Stelle der Segel an Bord dieses Riesenfahrzeugs von vierhundertzweiunddreißig Millionen Tonnen.
Obwohl der Himmel von rasch dahinfliegenden Wolken gestreift ist, wird eine Ortsbestimmung, da die Sonne dann und wann durchbricht, doch vielleicht ausführbar sein.
In der That gelang es zweimal, die Höhe der Sonne zwischen den Wolken zu messen.
Die Berechnungen ergaben dann, daß Standard-Island seit gestern wieder um zwei Grad nach Norden getrieben ist.
Das ist schwerlich damit zu erklären, daß die Schrauben-Insel nur dem Drucke des Windes gefolgt wäre; es liegt vielmehr der Schluß nahe, daß sie in einen der großen Stromwirbel gerathen ist, die die
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