Die Propeller-Insel
Restaurant. Man scheint ihre Gegenwart in dem luxuriösen, von den Fremden meist aufgesuchten Etablissement nicht besonders zu bemerken. Fünf Minuten später vertilgen die Halbverhungerten schon mit Begierde die ersten Schüsseln einer vortrefflichen Mahlzeit, wozu Pinchinat – und der versteht sich darauf – die Speisenfolge aufgestellt hat. Glücklicher Weise ist der Geldbeutel des Quartetts gut gespickt, und wenn er auf Standard-Island auch abmagert, so werden die Einnahmen in San Diego ihn schon bald wieder aufschwellen lassen.
Calistus Munbar war lächelnd in den Saal getreten. (S. 83.)
Die Küche ist ganz ausgezeichnet und der in den Hôtels von New-York und San Francisco weit überlegen, und die Speisen werden hier in und auf elektrischen Oefen bereitet, die eine sehr genaue Regelung der Hitze ermöglichen. Auf die Suppe mit conservierten Austern, die Fricassés, den Sellerie und den hier stets aufgetischten Rhabarberkuchen folgen ganz frische Fische, Rumsteaks von unvergleichlicher Zartheit, Wild, das jedenfalls den Prairien und Wäldern Californiens entstammt, und Gemüse, die aus den intensiven Culturen der Insel selbst herrühren. Als Getränk giebt es nicht das in Amerika allgemein gebräuchliche Eiswasser, sondern verschiedne Biere und Weine, die für die Kellereien von Milliard-City aus den Geländen von Burgund, Bordeaux und des Rheins, natürlich mit hohen Unkosten, bezogen waren.
Dieses Menu bringt unsre Pariser auf andre Gedanken. Vielleicht betrachten sie das Abenteuer, in das sie gerathen sind, schon unter günstigerem Lichte. Bekanntlich haben ja alle Orchestermusiker einen guten Zug. Was aber bei denen natürlich erscheint, die bei der Handhabung von Blasinstrumenten ihre Lunge tüchtig anstrengen, ist weniger zu entschuldigen bei denen, die Streichinstrumente spielen. Doch gleichviel: Yvernes, Pinchinat, selbst Frascolin fangen an, das Leben rosenroth und in dieser Stadt der Milliardäre selbst goldfarbig zu sehen. Nur Sebastian Zorn allein widersteht der Versuchung und läßt seinen Ingrimm nicht durch die feurigen Gewächse Frankreichs ertränken.
Kurz, das Quartett ist bemerkbar »angehaucht«, wie man im alten Gallien sagt, als die Stunde kommt, die Rechnung zu verlangen. Von dem Oberkellner des Hôtels, der in schwarzer Kleidung erscheint, wird sie Frascolin, als dem Cassierer, eingehändigt.
Die zweite Violine wirst einen Blick darauf, erhebt sich, sinkt zurück, erhebt sich wieder, reibt sich die Augen und starrt nach der Decke.
»Was fehlt Dir denn? fragt Yvernes verwundert.
– Es läuft mir ein Frostschauer durch Mark und Bein, antwortet Frascolin.
– Es ist wohl theuer hier?
– Mehr als theuer. Der Spaß kostet zweihundert Francs…
– Für alle Vier?
– Nein, für jeden!«
In der That: Hundertsechzig Dollars, nicht mehr und nicht weniger, und im Einzelnen beläuft sich die Nota für die Vorspeise auf fünfzehn Dollars, für den Fisch auf zwanzig, für die Rumsteaks auf fünfundzwanzig Dollars, für den Medoc und den Burgunder auf dreißig Dollars für die Flasche, und für das übrige im Verhältniß hierzu.
»Donnerwetter! platzt die Bratsche heraus.
– Diese Räuber!« schimpft Sebastian Zorn.
Die französisch hervorgestoßenen Worte versteht der Oberkellner zwar nicht, er bemerkt aber doch, daß hier etwas Besondres vorgehen müsse. Wenn sich indeß ein Lächeln auf seine Lippen schleicht, so ist es nur das der Verwunderung, nicht das der Geringschätzung. Er findet es ganz natürlich, daß ein Diner für vier Personen hundertsechzig Dollars kostet. Das ist einmal der Preis auf Standard-Island.
»Kein Aufhebens machen! sagt Pinchinat, Frankreich blickt auf uns! Bezahlen…
– Und sei es wie es sei, fällt Frascolin ein, schnell fort nach San Diego. Uebermorgen besäßen wir nicht einmal so viel, um ein Butterbrod bezahlen zu können.«
Darauf zieht er die Brieftasche, entnimmt dieser eine stattliche Anzahl Papierdollars, die zum Glück auch in Milliard-City gelten, und will sie eben dem Oberkellner einhändigen, als eine Stimme ruft:
»Diese Herren sind gar nichts schuldig!«
Es war die Stimme Calistus Munbar’s.
Der Yankee war eben ruhig lächelnd, in gewohnter guter Laune in den Saal getreten.
»Er! fuhr Sebastian Zorn auf, den die Lust anwandelte, jenem an die Kehle zu springen und diese zu drücken, wie er den Hals seines Violoncells beim Forte drückt.
– Beruhigen Sie sich, lieber Zorn, begann der Amerikaner. Wollten Sie mir
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