Die Prophetin von Luxor
sie mir, und ich winkte ihr nach, bis sie außer Sichtweite war.
Augenblicklich zog ich ins Winter-Palace Hotel um.
Es war genau wie in Tod auf dem Nil, inklusive der Topfpalmen, der übereinanderliegenden Seidenteppiche und der Messingsamoware. Ein Bild jenseits der Zeit.
Beim Essen leistete mir ein Mann Gesellschaft, der auf saloppe, durchgeistigte Art gutaussehend war. Er war schlank, hatte dunkle Haut und intelligente graue Augen. Den grauen Strähnen in seinem halblangen, braunen Haar nach zu urteilen war er älter, vielleicht Ende Dreißig.
Aber charmant! Er küßte meine Hand, als wir einander vorgestellt wurden, und eröffnete mir gleich darauf, daß er mindestens einmal im Jahr nach Ägypten reise - das liege ihm einfach im Blut. Also erzählte ich ihm von meiner Schwester und daß ihr Ägypten ebenfalls im Blut lag. Er hieß Dr. Anton Zeeman; dem Akzent nach mochte er Holländer sein. Wir plauderten während des Essens und lachten über das Touristenpaar am Nebentisch, das unwissentlich Schafsmagen bestellte (der Koch war Grieche) und darauf beharrte, ihn auch serviert zu bekommen, nachdem der Kellner sie aufzuklären versucht hatte. Wir schauten der Bauchtänzerin zu, und mehr als einmal spürte ich dabei Antons fragenden Blick. Beim Kaffee bot er mir eine Zigarette an. Gewöhnlich rauche ich nur, wenn ich unter extremem Streß stehe, aber andere Länder, andere Sitten . Gegen zwei Uhr morgens taumelte ich nach oben auf mein Zimmer, in der Hoffnung, der fröhliche Abend würde mich augenblicklich im traumlosen Schlummer sinken lassen.
So war es auch.
Am nächsten Tag durchkämmte ich nach dem Mittagessen den Suk - da sonst nichts mehr aufhatte - und genoß den Duft nach Kumin, Safran, Kurkuma und Zimt, der in der Luft lag. Es gelang mir, für zehn Dollar und zwei Kugelschreiber ein Säckchen mit Safran zu erstehen. Den würde ich an meine Freunde weiterverscherbeln, wenn ich wieder zu Hause war.
Als ich in einen Laden trat, lärmten mich aus sämtlichen Radiosendern Tamburine und Trommeln an. Vorne standen Postkartenständer, die ich durchzusehen begann. Ich sammle Postkarten, ich erledige meine gesamte persönliche Korrespondenz darauf, deshalb bemühe ich mich, stets möglichst viele interessante zur Hand zu haben. Diese hier zeigten ein längst vergangenes Ägypten, von Sand überweht und praktisch menschenleer. Die Abbildungen waren anregend, die Details beeindruk-kend. Es waren Schnappschüsse aus einer anderen Zeit.
Ich hatte das Gefühl, daß jemand hinter mir stand, und drehte mich eben um, als ich eine Stimme mit dezentem Akzent hörte.
»Das sind Werke von David Roberts«, sagte Anton.
»Ich erkenne seinen Stil wieder. Ich habe schon Bilder von ihm gesehen«, erwiderte ich. »Allerdings weiß ich so gut wie nichts über ihn.« Prüfend besah ich mir die detailliert gemalten Kunstwerke. »Wer war er?«
»Einer von vielen, die Anfang bis Mitte des neunzehnten Jahrhunderts nach Ägypten kamen«, erklärte Anton. »Nach dem Krieg wurde es ein ziemlich beliebtes Reiseziel. Die Mode wurde von Frankreich ausgelöst, nachdem Napoleon 1798 ein riesiges Gefolge ausgesandt hatte, das alle ägyptischen Monumente katalogisieren sollte. Der Überlieferung nach waren sie es, die der Sphinx die Nase abgeschossen haben.«
Er grinste mich an und trat einen Schritt zurück.
»Nicht daß man das heute noch sehen könnte.«
Ich kassierte alle Postkarten mit Motiven von David Roberts ein. »Wirklich? Wo kann ich mehr darüber erfahren? Ich wußte
gar nicht, daß Napoleon Künstler mitgenommen hatte.«
»In der Buchhandlung des Museums von Luxor«, antwortete er. »Es war eine recht berühmte Expedition. Sie weckte das Interesse an Ägypten. In den darauffolgenden Jahren kamen all jene hierher, die später die Wissenschaft der Ägyptologie begründen sollten.« Er zählte Namen auf, die Cammy bestimmt vertraut gewesen wären, mir aber nichts sagten. Vivant Denon? Auguste Mariette? Gaston Masper? Richard Lepsius? JeanFrancis Champollion? Giovanni Belzoni? Ippolito Rosselini?
»Die Wiederentdeckung des alten Ägyptens hatte erst mit Napoleons Expedition begonnen«, sagte er. Durch die Gemälde von David Roberts und anderen wurde das Interesse zusätzlich angeregt. Anton drehte sich zu einem niedrigen Regal mit Statuetten aus einer Alabastermanufaktur um und wechselte das Thema.
»Waren Sie schon in einer Alabastermanufaktur? Dies hier sind ziemlich gute Reproduktionen.«
Ich betrachtete das Fach mit
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