Die Prophetin von Luxor
zurück.
So nahe am Äquator brachte der strahlende Sonnenuntergang den Himmel nur wenige Minuten zum Leuchten, dafür durch-drangen die Farben einfach alles - Rosa, Violett und Gold, die für einen kurzen, aber exquisiten Augenblick miteinander verschmolzen. Dann kam die Nacht in weichem Blau-Schwarz, das sich wie eine umhüllende Decke anfühlte, in der silbern die ersten Sterne funkelten. Widerwillig ging ich hinein in die künstliche Kälte des Hotels. Heute nacht würde mir der Schlaf eine willkommene Fluchtmöglichkeit sein.
Der 23. Dezember, mein Geburtstag. Als die Sonne aufging, war ich bereits eine Stunde wach. Ich frühstückte auf der Hotelterrasse und machte ein paar schnelle Skizzen von den eleganten Feluken, die von Ufer zu Ufer schossen und deren dreieckige weiße Segel schmerzhaft hell in der Sonne leuchteten.
Anton erschien nicht zum Frühstück, was mich nach unserem gemeinsamen Kaffee vom Vortag nicht überraschte. Ich hatte keine zwei zusammenhängenden Worte herausgebracht - was schon eigenartig genug war -, und nach mehreren Anläufen zu einer Unterhaltung hatte er kapituliert. Er hatte sich schließlich verabschiedet, weil er noch eine Moschee besichtigen wollte, und ich hatte seine Einladung, ihn zu begleiten, ausgeschlagen.
Der gestrige Tag hatte mich tief verstört.
Nach meiner dritten Tasse türkischen Kaffees allerdings fühlte ich mich gewappnet, alles zu überstehen, sogar einen weiteren Tag als typische Touristin. Also stieg ich in meine Espadrilles.
Der Tempel von Karnak war atemberaubend. Als ich mit Camille hier gewesen war, war sie mitten in ihren Erklärungen davongewandert, um in ehrfürchtigem Schweigen den größten Tempel der Welt zu bestaunen. Ich hatte noch einmal alleine herkommen wollen. Bislang hatte ich alle »hilfreichen« Fremdenführer abwehren können, indem ich mit meinen bewährten Kugelschreibern ein paar Kinder bestach, die dafür sorgen sollten, daß ich ungestört blieb. Bevor ich von einer Gruppe italienischer Touristen belagert wurde, hatte ich von verschiedenen
Wänden sehr gute Skizzen anfertigen können. Danach schlich ich zwischen den Säulen hindurch ins Innere des Heiligtums, wo ich auf drei Kammern stieß.
Wie Goldlöckchen, das vermeiden möchte, drei pelzigen Fleischfressern über den Weg zu laufen, wagte ich in jede einen Blick. Cammy hatte erklärt, diese Kammern seien den ortsansässigen Göttern vorbehalten, der Heiligen Familie von Luxor: Amun-Re, dem Sonnengott; Mut, seiner Gefährtin; und Chonsu, ihrem Kind. Danach hatte ich mich ausgeblendet, denn die Feinheiten der ägyptischen Religion verwirrten und befremdeten mich. Als Kind hatte Cammy mir zu erklären versucht, wie die verschiedenen Götter und Mythen sich alle zusammenfügten, selbst wenn sie einander direkt widersprachen. Ausführlich hatte sie mir erläutert, daß die Menschen nur aufgrund familiärer Verbindungen Priester und Priesterinnen wurden, und nicht, weil sie den goldüberzogenen Göttern so ergeben gewesen wären. Mir was das gleichgültig gewesen.
Alle drei Räume waren klein. In früheren Zeiten hatte darin die Gottes-Statue auf einer Barke residiert, einem ägyptischen Papyrusgarben-Boot, das an Bug und Heck hochgezogen war. Die ersten beiden Kammern waren leer, die Reliefs an den Wänden fast vollkommen verblaßt, und das Gold, das sie einst geschmückt hatte, war vor Tausenden von Jahren von gierigen Ungläubigen heruntergeschlagen worden.
Ich trat in die dritte Kammer. Und genau wie beim Märchen von Goldlöckchen war die dritte Kammer die richtige, wenn ich auch nicht sagen konnte, wieso. Ein Gefühl von Frieden, Einverständnis und Sehnsucht erfüllte mich. Ich faßte den Ankh um meinen Hals und rieb damit über mein Kinn. Als ich aus dem kaputten Fenster sah, begriff ich, daß sich von hier aus faszinierende Aufnahmen machen ließen. Ein hinreißender Sonnenaufgang, flüsterte eine Stimme in mir. Einer der vielen Aufseher mit Turban trat herein und wies mich aus dem Raum, doch ich war fest entschlossen, wiederzukommen und diese
Fotos zu machen.
Innerlich immer noch von der Wärme erfüllt, die ich in der dritten Kammer gespürt hatte, verließ ich das Tempelgelände und machte mich auf die Suche nach einem Mittagessen. Ich entdeckte ein kleines Bootsrestaurant, das mit dem besteste Essen in alte Lucqsur prahlte, und bestellte die Spezialität des Hauses, Fisch mit Feigen und Granatäpfeln, meinem Lieblingsobst. Es schien mir passend, mit einem teuren
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